Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 27.07.2015; Aktenzeichen 5 O 100/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Mainz vom 27.7.2015, Az. 5 O 100/14, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass der Darlehensvertrag Nr ...001 aufgrund des Widerrufs vom 28.4.2014 zum selben Tag beendet wurde und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln ist.
2. Es wird weiter festgestellt, dass der Darlehensvertrag Nr ...002 aufgrund des Widerrufs vom 6.3.2014 zum 12.3.2014 beendet wurde und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln ist.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Feststellung des wirksamen Widerrufs ihrer auf den Abschluss zweier Darlehensverträge gerichteter Willenserklärungen und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Die Beklagte gewährte der Klägerin zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs zwei Darlehen, und zwar über 83.000,00 EUR gemäß Darlehensvertrag Nr ...001 vom 16./23.3.2006 (Anlage K 1, Bl. 5 - 13) und über 47.000,00 EUR aufgrund des von ihr - der Beklagten - am 28.3.2006 unterzeichneten Vertrages (Nr ...002, Anlage K 2, Bl. 14 - 19 GA); die Vertragsunterlagen enthielten jeweils eine im Wesentlichen gleichlautende Widerrufsbelehrung (Bl. 12 GA bzw. Bl. 18 GA), nach der die Widerrufsfrist "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginnen soll. Die Darlehen sind bislang nicht getilgt.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6.3.2014 (Bl. 20 GA) erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrags mit der Endziffer 002 gerichteten Willenserklärung, was die Beklagte mit Schreiben vom 31.3.2014 (Anlage K 5, Bl. 23 f. GA) zurückwies. Mit Telefaxschreiben vom 28.4.2014 (Anlage K 7, Bl. 50 GA) stellte die Klägerin klar, dass sich ihr Widerruf auch auf das Darlehen mit der Endziffer 001 beziehe.
Mit ihrer am 30.5.2014 eingegangenen, am 10.7.2014 (Bl. 31 GA) zugestellten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Darlehensverträge seien wirksam widerrufen worden, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung jeweils nicht in Lauf gesetzt worden sei. Die Widerrufsbelehrung kläre insbesondere über den Beginn der Widerrufsfrist nicht ordnungsgemäß auf. Auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie von der Musterbelehrung in mehrfacher Hinsicht jeweils abgewichen sei.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass der Darlehensvertrag Nr ...001 aufgrund des Widerrufs vom 28.04.2014 am selben Tag beendet worden und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln sei;
2. weiterhin festzustellen, dass der Darlehensvertrag Nr ...002 aufgrund des Widerrufs vom 06.03.2014 zum 12.03.2014 beendet worden und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln sei;
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - außergerichtliche Kosten in Höhe von 691,33 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die gestellten Feststellungsanträge seien bereits unzulässig, da es an einem Feststellungsinteresse und am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Ein Widerrufsrecht habe im Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht mehr bestanden, da wegen der Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV die Widerrufsfrist jeweils bereits abgelaufen gewesen sei. Eine inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung sei nicht erfolgt mit der Folge, dass sie - die Beklagte - sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne. Im Übrigen stehe der Geltendmachung des Widerrufsrechts der Einwand der Verwirkung entgegen.
Das LG hat die Klage mit Urteil vom 27.7.2015 (Bl. 120 ff. GA), auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Feststellungsanträge; dies könne jedoch dahinstehen. Auf einen wirksam erklärten Widerruf könne sich die Klägerin nicht berufen. Es könne dahinstehen, ob die Widerrufsfrist wirksam in Gang gesetzt worden sei. Der Ausübung des Widerrufsrechts stehe jedenfalls der Einwand der missbräuchlichen Rechtsausübung entgegen. Die Beklagte habe wegen der bis zum erklärten Widerruf erfolgten sukzessiven Darlehenstilgung auf den Bestand des Darlehensvertrags vertrauen dürfen. Die vom Gesetzgeber vorausgesetzte besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers gegenüber dem Finanzdienstleister sei im - hier vorliegenden - Falle sachfremder Nutzung der dem Darlehensnehmer gewährten rechtsgestaltenden Ansprüche nicht mehr gegeben; ein unbefristetes Widerrufsrecht gehe i...