Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergeleitete Ansprüche des Sozialhilfeträgers nach Aufgabe eines dinglichen Wohnrechts durch Aufnahme in einem Pflegeheim
Normenkette
BGB § 242 a.F., § 528; EGBGB Art. 96; AGBGB RP § 14
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 17.03.2006; Aktenzeichen 5 O 64/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Mainz vom 17.3.2006 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten aus übergeleitetem Recht die Zahlung einer Geldrente zum Ausgleich geleisteter Sozialhilfe.
Die Tante der Beklagten zu 2), die am 6.12.1919 geborene Frau S., hatte der Beklagten zu 2) durch notariellen Vertrag vom 18.3.1986 (Bl. 32 GA) das Hausgrundstück U.-Straße 1 in O. unentgeltlich übertragen. Beide Beklagten räumten am 12.6.1986 Frau S. an einer kurz zuvor erworbenen Eigentumswohnung in der N.-Straße 13 in O. ein lebenslanges ausschließliches Wohnungs- und Nutzungsrecht ein (Bl. 37 GA). Aus dieser Wohnung zog Frau S. am 11.11.1999 in ein Altenpflegeheim. Die Beklagten vermieteten die Wohnung ab dem 1.9.2000 zu einer monatlichen Kaltmiete von 700 DM (Bl. 40 GA). Frau S. bewilligte am 17.4.2001 ohne Gegenleistung die Löschung des Wohnrechts.
Der klagende Landkreis gewährte Frau S. ab dem 1.5.2001 ergänzende Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt für nicht gedeckte Heimpflegekosten. Er leitete Ansprüche der Frau S. gegen die Beklagten aus § 528 BGB wegen der unentgeltlichen Rückübertragung des Wohnrechts gemäß § 90 Bundessozialhilfegesetz auf sich über.
Der Kläger hat vorgetragen, Frau S. stehe ein Anspruch aus § 528 BGB zu, weil sie ihr Wohnrecht unentgeltlich aufgegeben habe. Die Einräumung des Wohnrechts im Jahr 1986 sei als Altenteilsvertrag i.S.v. Art. 96 EGBGB zu qualifizieren, so dass Frau S. nach Aufgabe der Wohnung gem. § 14 Landesausführungsgesetz zum BGB (AGBGB) eine Geldrente habe verlangen können. Durch das Wohnrecht sollte Frau S. eine gesicherte Lebensgrundlage erhalten, nachdem sie der Beklagten zu 2) ihr Hausgrundstück geschenkt hatte.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 16.821,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ab dem 1.4.2005 bis zum Ableben von Frau S., geboren am 6.12.1919, monatlich je 357,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einzelnen Raten jeweils ab dem 1. des Folgemonats, also erstmals ab 1.5.2005, zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben einen Zusammenhang zwischen der Schenkung des Hausgrundstücks in der U.-Straße und der nachfolgenden Einräumung des Wohnungs- und Nutzungsrechts bestritten, da der Beklagte zu 1) nicht Begünstigter der vorausgegangenen Schenkung gewesen sei. Ein Altenteilsvertrag liege nicht vor. Mit einer monatlichen Rente von damals mehr als 1.850 DM wäre Frau S. in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt einschließlich des Wohnbedarfs aus ihrem Einkommen zu bestreiten. Zudem seien von dem erzielten Mietzins Erhaltungsaufwendungen des Jahres 2001 i.H.v. 22.000 EUR in Abzug zu bringen. Für die Zeit bis 31.3.2005 bestehe kein Zahlungsrückstand, da der Kläger bereits 30.000 DM von den Neffen der Frau S. zurückerhalten habe. Schließlich sei der Überleitungsbescheid vom 5.5.2003 zu unbestimmt, um eine Rückwirkung entfalten zu können.
Das LG hat die Klage abgesehen von einem Teil der Zinsforderung (Zinsen für künftig fällig werdende Raten) zugesprochen. Zwar habe es sich bei der Einräumung des Wohnrechts an der Eigentumswohnung der Beklagten nicht um einen Altenteilsvertrag i.S.v. Art. 96 EGBGB gehandelt. Nachdem sie die Wohnung nicht mehr selbst nutzen konnte, habe Frau S. jedoch ein Anspruch auf Wertausgleich nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) zugestanden. Auf diesen Anspruch habe Frau S. unentgeltlich verzichtet, so dass ihr ein Anspruch aus § 528 BGB zustehe, nachdem sie die Kosten ihrer Heimunterbringung nicht mehr selbst aufbringen könne. Diesen Anspruch habe der Kläger ab dem Zeitpunkt der Gewährung der Sozialhilfe auf sich übergeleitet. Hinsichtlich der Höhe sei die erzielte Kaltmiete auszukehren; Aufwendungen für den Erhalt der Wohnung seien hiervon nicht abzuziehen, da diese auch angefallen wären, wenn Frau S. die Wohnung weiterhin unentgeltlich genutzt hätte. Der Kläger habe belegt, dass die gewährte Sozialhilfe auch unter Berücksichtigung der von den Neffen der Frau S. zurückerhaltenen Beträge den erhaltenen Mietzins übersteige.
Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihr...