Entscheidungsstichwort (Thema)

Reichweite eines Prozessvergleichs; Zulässigkeit einer neuen Klage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Zweifeln am Inhalt eines Prozessvergleichs ist nicht der alte Rechtsstreit fortzusetzen, sondern eine neue Klage zulässig, wenn sie die Wirksamkeit jener Vereinbarung nicht in Frage stellt, sondern einen anderen Streitgegenstand hat (hier: kleiner und großer Schadensersatz beim Kaufvertrag).

2. Davon zu trennen ist die Frage der Reichweite des Prozessvergleichs. Handelt es sich um einen umfassenden Abfindungsvergleich, sind auch solche Ansprüche endgültig geregelt, die nicht Streitgegenstand des Vorprozesses waren.

3. Zur Vergleichsauslegung in einem derartigen Fall (Untersagung einer jahrelang unbeanstandeten gewerblichen Nutzung).

 

Normenkette

BGB §§ 123, 133, 155, 157, 433, 779; ZPO §§ 253, 322, 794 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 19.11.2004; Aktenzeichen 5 O 587/98)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 19.11.2004 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Koblenz wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger beansprucht vom Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Kaufvertrages.

Auf der Grundlage des notariellen Vertrages vom 16.5.1998 erwarb er vom Beklagten ein in L. gelegenes Hausanwesen zum Preis von 235.000 DM.

Unter Nr. 5 des Vertrages (Bl. 18-28 GA) ist ausgeführt:

"Der Kaufgegenstand wird unter Auschluss der Gewährleistung für Sachmängel verkauft in dem Zustand, in dem er sich zur Zeit befindet, ohne Gewähr für Größe, frei von nicht übernommenen Belastungen und Beschränkungen, freilich mit folgender Einschränkung:

Der Verkäufer gewährleistet, dass

1. der Kaufgrundbesitz frei von Altlasten und Baulasten ist,

2. die zur derzeitigen Nutzung des Kaufgegenstandes notwendigen behördlichen Auflagen, wozu die der Gewerbeaufsicht gehören, sowie die Stellplatzverpflichtung erfüllt sind,

3. die auf dem Kaufgrundbesitz aufstehenden Gebäulichkeiten den statischen Anforderungen gerecht werden."

Vor dem Verkauf war der Beklagte mehrere Jahre Eigentümer des Anwesens und hatte Umbauten im Erdgeschoss des Hauses vorgenommen. Hierdurch wurde die Fläche des vorhandenen Ladenlokals vergrößert und eine Postagentur eingerichtet.

Der Kläger vermietete die Räumlichkeiten im Erdgeschoss an den Mieter Walldorf zur Fortführung des Ladengeschäfts mit einer Postagentur.

Nach einer Ortsbesichtigung am 16.7.2002 untersagte die Kreisverwaltung Neuwied dem Mieter ggü. die Nutzung des Gebäudes zu gewerblichen Zwecken wegen Mängeln des Gebäudes insb. in brandschutzrechtlicher Hinsicht.

Der Kläger verlangte daraufhin vom Beklagten Schadensersatz und Rückabwicklung des Kaufvertrages und forderte ihn auf, den noch zu beziffernden Anspruch anzuerkennen.

Der Kläger beansprucht Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückauflassung des Hausgrundstücks, Feststellung der Pflicht zum Ersatz allen Nichterfüllungsschadens und Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten.

Im Prozess LG Koblenz, Aktenzeichen 5 O 587/98, nahm der Kläger den Beklagten sowie den Makler L. W. auf Schadenersatz i.H.v. 62.785 DM in Anspruch im wesentlichen mit der Begründung, er sei hinsichtlich der Hochwasserfreiheit des Anwesens, des Baujahrs des Hauses, eines Überbaus und baulichen Mängeln des Gebäudes arglistig getäuscht worden.

Das LG vernahm Zeugen und holte ein Sachverständigengutachten ein und schätzte die Erfolgsaussicht der Klage danach gering ein.

Im Termin vom 25.3.2002 kam es sodann zum Abschluss folgenden Vergleichs:

"I. Der Beklagte zu 1) zahlt an den Kläger zum Ausgleich aller gegenseitigen Ansprüche aus dem hier streitigen Rechtsverhältnis 5.000 EUR.

II. ...

III. Zur endgültigen Erledigung des streitigen Rechtsverhältnisses zahlt der Beklagte zu 2) im vorliegenden Verfahren zum Ausgleich der Klageforderung im Verfahren 14 C 1008/99 vor dem AG Neuwied an den Kläger 696,38 EUR.

IV. ...

V. Die gegenseitigen Forderungen sind fällig zum 1.5.2002."

Diesen Vergleich unter Nr. 1 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.3.2003 anfechten lassen wegen arglistiger Täuschung; er hätte den Vergleich nicht abgeschlossen, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass für die Nutzung des Erdgeschosses die erforderliche Genehmigung nicht vorliege und auch die Stellplatzverpflichtung nicht erfüllt sei.

Der Kläger hat vorgebracht: Für die Umbauten habe der Beklagte einen Bauantrag nie gestellt, so dass es an einer baurechtlichen Legitimation für die Nutzung gefehlt habe. Auch sei die Stellplatzverpflichtung nicht eingehalten worden und dies alles entgegen den Zusicherungen im Kaufvertrag. Der Vergleich stehe dem Klagebegehren nicht entgegen, denn die vergleichsweise Einigung habe nur die damals streitgegenständlichen Ansprüche abgelten sollen. Vor allem erfasse sie nicht Ansprüche, die dem Ber...

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