Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßgeblicher VOB/B - Einheitspreis bei Überschreitung der vorgesehenen Massen - Abgrenzung zu BGHZ 181, 47

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei erheblicher Überschreitung der vertraglich vereinbarten Massen muss der Einheitspreis auf der Grundlage der Kalkulation des Auftragnehmers neu bestimmt werden. Dabei ist ausschlaggebend, ob die Massenmehrung die Kosten je Leistungseinheit gesenkt oder gesteigert hat, so dass es unangemessen wäre, den alten Einheitspreis fortzuschreiben.

2. Zur Substantiierungspflicht des Auftragnehmers in einem derartigen Fall (Gemeinkosten).

 

Normenkette

BGB §§ 631-632; VOB/B § 2 Nr. 3 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 04.07.2011; Aktenzeichen 4 O 128/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Parteien gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Koblenz vom 4.07.2011 werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 70 % und das beklagte Land 30 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner ist nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in entsprechender Höhe stellt.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Das beklagte Land beauftragte die Klägerin am 28.5.2004 mit Ausbauarbeiten an einer Landstraße. Dies geschah auf der Grundlage der VOB/B - Ausgabe Dezember 2002. Am18.12.2006 erstellte die Klägerin ihre Schlussrechnung.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat sie eine behauptete Restforderung von 144.091,30 EUR nebst Zinsen geltend gemacht. Demgegenüber erachtet das Land die Werklohnansprüche für erfüllt. Der Parteistreit knüpft an eine Zusatzvergütung an; die Klägerin reklamiert sie für Aushubarbeiten, die in ihrem Umfang von den Angaben im Auftrag abwichen.

Im Leistungsverzeichnis waren zur Erstellung eines Leitungsgrabens Erdbewegungen von 500 Kubikmeter vorgesehen; dafür hatte man einen Einheitspreis von 69,18 EUR/Kubikmeter vereinbart. Tatsächlich war dann ein Erdvolumen von 3.855,692 Kubikmeter zu bewegen. Dadurch verlängerte sich nach dem Vorbringen der Klägerin die kalkulierte Ausführungszeit für den Gesamtauftrag erheblich. Die vor Ort vorhandenen sieben Arbeitskräfte hätten 2,7 Monate mehr als veranschlagt benötigt. Bei alledem wurde allerdings die vertraglich festgelegte Fertigstellungsfrist für den Gesamtauftrag nicht überschritten.

Die Schlussrechnung setzte unter Position 0.3.1 Aushubarbeiten von 3.855,692 Kubikmeter vollumfänglich zu dem Einheitspreis von 69,18 EUR/Kubikmeter an und gelangte in entsprechender Multiplikation zu 266.736,77 EUR. Außerdem fand sich unter Position 10.6. ein Zuschlag für durch diesen Preis nicht gedeckte Gemeinkosten von 92.477 EUR, die den Zusatzarbeiten zuzurechnen seien. Das beklagte Land korrigierte die Schlussrechnung dahin, dass es den Einheitspreis von 69,18 EUR/Kubikmeter nur für ein Erdvolumen von 550 Kubikmeter akzeptierte. Für die übrigen 3.305,92 Kubikmeter legte es einen Einheitspreis von 57,14 EUR/Kubikmeter zugrunde. Anders als die Klägerin ging es davon aus, dass die Fortschreibung des Einheitspreises von 69,18 EUR/Kubikmeter zu einer Gemeinkostenüberdeckung führe. In der Konsequenz sprach es dann auch dem Zuschlag in Position 10.6. jedwede Berechtigung ab.

Während des Prozesses haben die Parteien jeweils Gesamtbetrachtungen angestellt, durch die sie auch sonstigen nachträglichen Leistungsveränderungen haben Rechnung tragen wollen. Dabei hat die Klägerin den Zuschlag für ungedeckte Gemeinkosten in Position 10.6. der Schlussrechnung auf 92.344,83 EUR ermäßigt. Das beklagte Land hat in grundsätzlicher Aufrechterhaltung des Überdeckungseinwands und damit auch in weiterhin vollständiger Negierung dieser Position gemeint, dass die Klägerin von ihren Forderungen deshalb Abstriche machen müsse, die es zunächst mit 38.787,56 EUR und dann mit 35.280,01 EUR beziffert hat.

Das LG hat der Klage unter Abweisung im Übrigen lediglich i.H.v. 43.398,50 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Dabei hat es den von der Klägerin in Position 10.6. der Schlussrechnung geforderten Zuschlag ebenso wenig für begründet erachtet, wie es den vom beklagten Land erhobenen Überdeckungseinwand hat gelten lassen. Beide Parteien hätten die dazu nötigen Voraussetzungen des § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B jeweils nicht dargelegt und zudem missachtet, dass Leistungsmehrungen oder -minderungen erst insoweit ins Gewicht fallen könnten, als sich das vertraglich vorgesehene Volumen um mehr als 10 % verändert habe. Vor diesem Hintergrund hat das LG die Klageforderung, die in ihrem Ausgangspunkt unstreitig sei, in Ablehnung der weiter gehenden Angriffe des beklagten Lands um 100.692,80 EUR (= 92.354,83 EUR abzgl. 6 % Nachlass zzgl. 16 % Mehrwertsteuer) gekürzt.

Gegen diese Entscheidung wenden sich beide Parteien in der Berufung. Die Klägerin verfolgt das Klagebegehren weiter. Sie meint, mit der Darlegung des durch die zusätzlichen Aushubarbeiten bedingten Stundenmehraufwands hinlänglich zu...

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