Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Haftung einer Gynäkologin bei Fehldeutung der auf eine drohende Frühgeburt deutenden Symptome

 

Leitsatz (amtlich)

Werden in der 24 Schwangerschaftswoche die auf eine bevorstehende Frühgeburt deutenden Symptome von der Gynäkologin nicht erkannt und Untersuchungen in dieser Richtung versäumt, führt das nicht zu einer Umkehr der Beweislast, wenn kein zureichender Anhalt dafür besteht, dass weitere diagnostische und sonstige Maßnahmen den reaktionspflichtigen Befund zutage gefördert hätten.

 

Normenkette

BGB § 276

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 17.09.2008; Aktenzeichen 10 O 544/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 17. September 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann jedoch die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in entsprechender Höhe stellt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger kam am 29. Dezember 1999 in der 25. Schwangerschaftswoche seiner Mutter nach einer Sectio zur Welt. In der Folge der Frühgeburt sieht er sich multipel körperlich und geistig geschädigt. Dafür macht er die Beklagte verantwortlich.

Die Mutter wurde während der Schwangerschaft in der gynäkologischen Praxis der Beklagten betreut. Sie klagte häufig über abdominale Schmerzen. Zudem traten in der Anfangsphase vaginale Blutungen auf. Bei einem Vorsorgetermin vom 3. November 1999 wurde eine Pilzinfektion der Scheide diagnostiziert. Nachdem es am 1. Dezember 1999 keine Auffälligkeiten mehr gegeben hatte, stellte sich die Mutter des Klägers am 21. Dezember 1999 mit krampfartigen Unterleibsbeschwerden vor. Die Beklagte führte eine palpatorische Untersuchung durch und sah keinen Grund zur Besorgnis. Tags darauf meldete sich die Mutter des Klägers erneut unter Hinweis auf Schmerzen. Dessen Darstellung nach geschah dies telefonisch, ohne dass die Beklagte daraufhin eine persönliche Vorstellung für angezeigt gehalten habe. Nach dem Vorbringen der Beklagten erschien die Mutter des Klägers dagegen in der Praxis und wurde dort untersucht, wobei sich bei einem ansonsten unauffälligen klinischen Befund der Verdacht auf einen rezidivierenden Pilzbefall ergeben habe, dem wie schon früher medikamentös begegnet worden sei. Außerdem sei eine Urinanalyse veranlasst worden, um einen Harnwegsinfekt auszuschließen. Ob die Mutter des Klägers der Beklagten danach nochmals am 24. Dezember 1999 telefonisch über Schmerzen berichtete, ist streitig.

Am 26. Dezember 1999 wurde die Mutter des Klägers wegen frühzeitiger Wehentätigkeit und vaginaler Blutungen in einem örtlichen Krankenhaus aufgenommen und, als sich die Blutungen verschlimmerten, am 28. Dezember 1999 in eine Universitäts-Frauenklinik verlegt, wo es alsbald bei Anstieg der Infektionsparameter zu einem Blasensprung kam, was die Sectio erforderlich machte. Im weiteren Verlauf litt der Kläger unter Atemnot, hatte eine intraventikuläre Blutung und einen posthämorrhagischen Hydrocephalus.

Das Landgericht hat das Verlangen des Klägers, ihm ein mit mindestens 264.000,00 EUR beziffertes verzinsliches Schmerzensgeld zuzusprechen und die materielle Ersatzhaftung der Beklagten festzustellen, nach Einholung mehrerer Sachverständigengutachten abgewiesen. Es hat den Vorwurf, die Beklagte habe das Risiko einer drohenden Frühgeburt mangels einer ausreichenden Diagnostik grob schuldhaft nicht erkannt und damit eine mögliche Schadensprävention versäumt, nicht für durchschlagend erachtet.

Diese Entscheidung greift der Kläger in grundsätzlicher Erneuerung seiner Anträge mit der Berufung an. Er macht wie in erster Instanz geltend, dass der Beklagten über einen Diagnoseirrtum hinaus ein Befunderhebungsfehler unterlaufen sei. Das sei nicht nachvollziehbar gewesen. Bei sachgerechtem Handeln hätte frühzeitig eine Antibiose eingeleitet werden können und die Frühgeburt wäre möglicherweise verhindert oder jedenfalls hinausgeschoben worden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Es verbleibt im Ergebnis bei dem erstinstanzlichen Urteil. Der Beklagten ist kein schadensursächlicher Pflichtverstoß anzulasten, der einen vertraglichen oder deliktischen Ersatzanspruch für den Kläger begründen könnte.

Der Kläger rügt wie bereits vor dem Landgericht eine aus seiner Sicht ungenügende ärztliche Versorgung durch die Beklagte vom 21. Dezember 1999 an, als sich seine Mutter - anders als bei dem vorangegangenen Schwangerschaftsvorsorgetermin vom 1. Dezember 1999 - mit erheblichen Unterleibsbeschwerden vorgestellt hatte. Dabei knüpft er daran an, dass die Beklagte aufgrund unzureichender Untersuchungen zu einer falschen Situationseinschätzung gelangt sei, die den Dingen ihren Lauf gelassen habe, statt, wie es geboten gewesen sei, seiner Frühgebu...

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