Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt und Scheidungsverbund - Auslegung von prozessualen Erklärungen. Verfahrensfehlerhafte Auflösung des Scheidungsverbundes

 

Normenkette

ZPO § 269 Abs. 2, §§ 333, 621 Abs. 1 Nr. 5, § 623 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Mainz (Urteil vom 05.08.2003; Aktenzeichen 33 F 26/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des AG - FamG - Mainz vom 5.8.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten der Berufung bleibt dem AG vorbehalten. Gerichtskosten für das Verfahren im zweiten Rechtszug werden nicht erhoben.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Scheidung der am 27.11.1981 im ehemaligen Jugoslawien geschlossenen Ehe mit dem Antragsgegner; sie hat zugleich - im Wege der Stufenklage - einen Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts als Folgesache anhängig gemacht (Schriftsatz v. 2.6.1998; beim AG eingegangen am 8.6.1998 - Bl. 1 ff. d.A. UE; zugestellt am 19.1.2002 - Bl. 95 GA).

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 1.3.2002 (Bl. 124-127 GA) wurde der Antragsgegner - in der ersten Stufe - zur Auskunftserteilung und zur Vorlage von Belegen verurteilt. Mit - nicht förmlich zugestelltem - Schriftsatz vom 29.8.2002 (Bl. 134/135 GA) beantragte die Antragstellerin die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.7.2003 stellte die Antragstellerin den Scheidungsantrag; der Antragsgegner beantragte, im Hinblick auf das vorgelegte - vom Justizministerium Baden-Württemberg allerdings nicht anerkannte (Bl. 65 ff. GA) - Scheidungsurteil des AG Derventa (Serbische Republik) vom 4.10.1994 (Bl. 11/12 GA), "die Klage abzuweisen", hilfsweise stimmte er der Scheidung zu (Bl. 122/123 GA mit Bl. 143 GA). Im Protokoll ist weiter festgehalten (Bl. 143 GA):

Die Antragstellervertreterin erklärt, dass sie in der Folgesache Unterhalt keinen Antrag stellt.

Das AG hat mit Urteil vom 5.8.2003 (Bl. 146-150 GA) die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt; über die Folgesache Ehegattenunterhalt hat es nicht erkannt.

Mit der Berufung wendet sich die Antragstellerin gegen die Loslösung der Folgesache Ehegattenunterhalt aus dem Scheidungsverbund. Der Antrag aus der Stufenklage sei nicht zurückgenommen worden; es treffe auch nicht zu, dass in der mündlichen Verhandlung vom 15.7.2003 erklärt worden sei, keinen Antrag mehr zu stellen (Beweis: Zeugnis der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten). Der Antrag auf eidesstattliche Versicherung sei auch in der Sache begründet.

Die Antragstellerin beantragt, das Urteil des AG - FamG - Mainz vom 15.7.2003 aufzuheben und die Sache an das FamG zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Antragsgegner beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er stellt darauf ab, dass in der Folgesache Ehegattenunterhalt Anträge zur zweiten und dritten Stufe in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden seien; im - ausdrücklichen - Nichtstellen der Anträge im Termin am 2003 liege ein Verzicht, der einer Klagerücknahme gleichkomme. Aus den in der ersten Instanz vorgelegten Unterlagen gehe im Übrigen eindeutig hervor, dass er nicht in der Lage sei, Ehegattenunterhalt zu zahlen.

II. Die Berufung führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung in den ersten Rechtszug.

1. Die Berufung ist zulässig.

Das AG hat allein über den Scheidungsantrag und den Versorgungsausgleich entschieden; im Hinblick auf die Folgesache Ehegattenunterhalt (zweite und dritte Stufe) ist es - aufgrund der Erklärung der (damaligen) Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im Termin vom 15.7.2003 - von einer "konkludenten Rücknahme" ausgegangen.

In der damit der Sache nach vorgenommenen Auflösung des Scheidungsverbunds liegt für die Antragstellerin eine selbständige Beschwer, die sie mit der Berufung gegen den Scheidungsausspruch bekämpfen kann (vgl. zur Abtrennung der Folgesache: BGH v. 2.7.1986 - IVb ZR 54/85, MDR 1987, 40 = FamRZ 1986, 898 f.; FamRZ 1996, 1070 f.; Philippi in Zöller, 24. Aufl., 2004, § 628 Rz. 16).

2. Die Berufung ist auch begründet.

Das AG hat verfahrensfehlerhaft den Scheidungsverbund aufgelöst.

a) Die von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 2.6.1998 anhängig gemachte Stufenklage (Bl. 1 ff. d.A. UE) ist als Folgesache in den Verbund eingetreten (§ 623 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO; BGH v. 4.11.1981 - IVb ZR 624/80, MDR 1982, 389 = FamRZ 1982, 151 f.; Philippi in Zöller, 24. Aufl., 2004, § 623 Rz. 21; anders aber für das isolierte Auskunftsbegehren, vgl. BGH FamRZ 1997, 811 f.). Über den Unterhaltsanspruch war damit gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und, sofern - wie hier - dem Scheidungsantrag stattgegeben wird, zu entscheiden (§§ 623 Abs. 1 S. 1, 629 Abs. 1 ZPO); über die erste Stufe (Auskunft) - wie auch gesche...

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