Leitsatz (amtlich)
›1. Unter dem Begriff der "Anschrift" i.S. des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB ist nicht die Hausanschrift, sondern die Postanschrift und dementsprechend auch die Postfachanschrift zu verstehen.
2. Eine von § 14 Abs. 1 BGB-InfoV abweichende Belehrung über das Widerrufsrecht ist nicht schon wegen ihrer Abweichung vom Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV unwirksam.‹
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 20.12.2004; Aktenzeichen 5 O 549/03) |
Gründe
Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Pkw Nissan Terrano II. Sie hatte den Pkw am 18. August 2003 vom Beklagten, dem Inhaber eines Autohauses, gekauft. Auf den Kaufpreis von 18.500 EUR leistete sie eine Baranzahlung von 4.000 EUR. Der Restbetrag in Höhe von 14.500 EUR wurde durch ein Darlehen der N...-Bank finanziert, das der Beklagte bei Vertragsabschluss vermittelt hatte. Das Darlehensvertragsformular enthält eine von der Klägerin unterzeichnete Widerrufsbelehrung. In dieser wird u.a. darauf hingewiesen, dass "zur Wahrung der (Widerrufs-)Frist die rechtzeitige Absendung an die N...-Bank Geschäftsbereich der R...-Bank ... S.A. Niederlassung Deutschland, ..., Telefax genügt". Das Formular über den von den Parteien geschlossenen Kaufvertrag enthält eine von der Käuferin nicht unterschriebene "Widerrufsbelehrung nach § 355 BGB".
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26. September 2003 widerrief die Klägerin unter Hinweis darauf, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen sei, gegenüber dem Beklagten ihre auf Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung. Sie machte geltend, die Widerrufsbelehrung gemäß § 355 BGB sei von ihr nicht unterschrieben worden. Außerdem enthalte die Widerrufsbelehrung auf dem Darlehensvertragsformular weder Name noch Adresse desjenigen, an den der Widerruf zu richten sei. Die Belehrung sei auch deshalb fehlerhaft, da sie zum einen lediglich die Möglichkeit eines Widerrufs der auf den Abschluss des Darlehensvertrages, nicht aber der auf den Kaufvertragsabschluss gerichteten Willenserklärung vorsehe.
Die Klägerin, die den Pkw unter Verrechnung der Anzahlung mit Gebrauchsvorteilen zurückgeben will und die vom Beklagten weiter Erstattung der Kosten für Reparaturen verlangt, hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Nissan Terrano II, Fahrgestell-Nr. : V ...258
a) 4.000 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Oktober 2003 zu leisten, abzüglich 61,05 EUR pro 1.000 km, die über die Laufleistung von 68.462 km hinausgehen, d.h. zum jetzigen Zeitpunkt abzüglich 3.319,40 EUR;
b) an sie weitere 1.680,52 EUR zu zahlen,
c) sie von den Darlehensforderungen der N...-Bank aus dem Darlehensvertrag Nr. ...70/1 über 18.438 EUR freizustellen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er hat Widerklage erhoben mit dem Antrag,
die Klägerin zu verurteilen, an ihn 955,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Oktober 2003 zu zahlen.
Die Klägerin hat Abweisung der Widerklage beantragt.
Der Beklagte hält den ausgesprochenen Widerruf für unwirksam und hat geltend gemacht, die Klägerin sei über ihr Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden. Sie habe die Widerrufsbelehrung auf dem Darlehensvertragsformular unterzeichnet. Die Belehrung enthalte auch einen hinreichenden Hinweis darauf, dass der Darlehensnehmer im Falle eines Widerrufs nicht mehr an den verbundenen Kaufvertrag gebunden sei.
Als Folge exzessiver Nutzung des Pkw müsse sich die Klägerin jedenfalls ohnehin höhere Gebrauchsvorteile als von ihr geltend gemacht anrechnen lassen. Die Widerklageforderung resultiere aus dem Kauf von Zubehör, dessen Preis von 955,43 EUR die Klägerin noch schulde.
Das Landgericht hat unter Teilabweisung betreffend das Zahlungsbegehren dem Rückabwicklungs- und Freistellungsbegehren der Klägerin entsprochen. Der Widerruf sei wirksam erfolgt. Die zweiwöchige Frist sei nicht in Gang gesetzt worden, da die Klägerin nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sei. Die Angabe des Postfaches der Darlehensgeberin in der Widerrufsbelehrung des Darlehensantrages entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen. In der Belehrung habe vielmehr eine ladungsfähige Anschrift angegeben werden müssen, was aus § 355 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 BGB-InfoV folge. Das Landgericht hat auch dem Widerklagebegehren von einer Teilabweisung der Zinsforderung abgesehen entsprochen. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Die Klägerin macht Falschberatung der Gebrauchsvorteile geltend und rügt die Nichtberücksichtigung von Reparaturkosten.
Sie hat zuletzt beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 2.299,40 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 6. Oktober 2003 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er beantragt ferner
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