Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Beweiserleichterungen beim Nachweis des „äußeren Bildes” eines Diebstahls in der Teilkaskoversicherung (im Anschluss an BGHZ 130, 1, 3 = NJW 1995, 2169; BGH NJW-RR 1999, 246; Senatsurteil vom 1.10.1999 – 10 U 1846/97 – OLGR 2000, 455).

2. Eine zur Leistungsbefreiung des Versicherers führende schuldhafte Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers liegt nicht vor, wenn dieser die Frage nach der Anzahl der Fahrzeugschlüssel zutreffend beantwortet, allerdings einen anders aussehenden und von ihm fälschlicherweise als Handschuhfachschlüssel angesehenen Werkstattschlüssel nicht angegeben hat und der Versicherer nicht ausdrücklich nach dem Vorhandensein dieses Werkstattschlüssels gefragt hat.

 

Normenkette

AKB § 12 Nr. 1 Abs. 1b, § 7 I Nr. 2 S. 3, § 7 V Nr. 4; VVG § 6 III S. 1

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 2 O 341/99)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 19. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Teilkaskoversicherung für einen von ihr geleasten und nach ihren Angaben entwendeten PKW der Marke Mitsubishi Pajero, dessen Kaufpreis brutto 78.247,– DM nebst 700,– DM Überführungskosten betrug, in Anspruch. Die Klägerin und ihr Ehemann befanden sich ab 8.10.1998 in Ungarn (Galambok/Zakaros) in Urlaub.

Die Klägerin hat vorgetragen,

am 14.10.1998 gegen 11.00 Uhr habe sie gemeinsam mit ihrem Ehemann das nahegelegene Thermalbad aufgesucht. Ihr Ehemann habe sich vom Thermalbad aus zum Zahnarzt begeben. Sie sei gegen 15.00 Uhr allein zum Ferienhaus zurückgekehrt. Sie habe bemerkt, dass das Schloss zu der im Erdgeschoss gelegenen Ferienwohnung aufgebrochen worden und das Fahrzeug nicht mehr vorhanden gewesen sei. Der bzw. die Täter hätten in der Wohnung den Schlüsselbund entwendet, an dem sich ihr Fahrzeugschlüssel befunden habe. Des Weiteren seien das Mäppchen mit zwei weiteren Schlüsseln, einem schwarzen und dem grauen Werkstattschlüssel, wie sie später erfahren habe, entwendet worden. Diesen Schlüsselbund habe immer ihr Ehemann, der Zeuge B., benutzt.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr Versicherungsschutz auf der Grundlage des Kaskoversicherungsvertrages … für das am 14.10.1998 entwendete Fahrzeug Marke Mitsubishi Pajero, …, Fahrgestellnummer: … zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

die Klägerin habe eine zur Leistungsfreiheit führende Obliegenheitsverletzung begangen, weil sie wahrheitswidrig die Frage nach der Anzahl der vorhandenen Fahrzeugschlüssel nicht richtig angegeben habe. Außerdem gehe sie davon aus, dass es sich entweder um einen vorgetäuschten Diebstahl oder um einen Auftragsdiebstahl handele. Der Vortrag der Klägerin ergebe keinen das äußere Bild eines Diebstahls lückenlos darlegenden Sachverhalt. Dies führe zu einer Beweislastumkehr. Die Klägerin habe diesen Beweis nicht erbracht. Dieser Verdacht gründe sich insbesondere darauf, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge B., im Zeitpunkt des Abschlusses des Leasingvertrages in sehr schlechten finanziellen Verhältnissen befunden hätten. So sei bezüglich der Klägerin eine Haftandrohung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 31.1.1997 erfolgt. Auch bezüglich ihres Ehemannes habe eine solche vorgelegen. Außerdem sei unklar, aus welcher Quelle die Klägerin die Sonderzahlung für den Pkw erbracht habe. Es werde geargwöhnt, dass eine „Versicherungslösung” eine Entschuldung über die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung bringen sollte.

Im Wege der Replik hat die Klägerin vorgetragen, es sei ihr nicht bekannt gewesen, dass es sich um drei Fahrzeugschlüssel gehandelt habe, zumal einer dieser Schlüssel andersfarbig gewesen sei. Dies habe ihr Ehemann auch nicht gewusst. Dies hätten sie erst später, nämlich nach Eintritt des Versicherungsfalles, erfahren Insgesamt habe sie 32.152,33 DM unter Berücksichtigung der Inzahlungnahme ihres früheren PKW's geleistet und würde keinen Vorteil dadurch erreichen, dass der Wagen gestohlen worden sei. Das Fahrzeug habe vielmehr im Eigentum der M. Kreditbank GmbH gestanden, an die letztendlich die Versicherungsleistung fließen würde.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme und Vernehmung des Zeugen B. und Beiziehung der Akte der StA Darmstadt … Js. der Klage entsprochen und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin Versicherungsschutz auf der Grundlage des Kaskoversicherungsvertrages für das entwendete Fahrzeug zu gewähren. Die Klägerin habe das äußere Bild eines Diebstahls zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die glaubhafte Aussage ihres Ehemanns B. dargelegt, wobei dahin gestellt bleiben könne, ob nicht bereits der Vollbeweis gelungen sei. Der Zeuge habe auf die Kammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Die von der Beklagten und der Polizei dargel...

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