Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Arzthaftung für theoretische Spätfolge eines Zufallsbefundes ohne aktuellen Handlungsbedarf

 

Leitsatz (amtlich)

Überweist der Hausarzt eine Patientin wegen Hypertonie, Herzrasen und innerer Unruhe unter dem Verdacht einer Schilddrüsenüberfunktion zum Facharzt, der als Nebenbefund seiner sonographischen Untersuchung drei echoarme Knoten feststellt und daher zur Schilddrüsen - Szintigraphie rät, führt das nicht zur Haftung des Hausarztes, der die Empfehlung nicht weitergibt, wenn die ergänzende Befunderhebung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Sonographie tatsächlich nicht erforderlich war.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Trier (Urteil vom 13.04.2011; Aktenzeichen 4 O 6/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Trier vom 13.4.2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last. Ihr ist nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht von der anderen Seite Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags gestellt wird.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wurde von den Beklagten hausärztlich betreut. Auf deren Überweisung hin ließ sie am 20.1.2006 in der radiologischen Praxis Dr. F. eine sonographische Untersuchung der Schilddrüse durchführen. Nach dem Vorbringen der Beklagten war schon am 18.5.2005 eine entsprechende Überweisung erfolgt, ohne dass sie allerdings seinerzeit von der Klägerin umgesetzt wurde.

Dr. F. teilte den Beklagten das Ergebnis seiner Befundung in einem Arztbrief vom 24.1.2006 mit. Danach gab es im linken Teil der Schilddrüse drei echoarme Knoten im Durchmesser von jeweils annähernd 1 cm. Im Hinblick darauf hieß es in dem Schreiben: "Zur weiteren Abklärung sollte noch eine Schilddrüsen-Szintigraphie folgen. Bitte um Faxmitteilung der Schilddrüsenwerte, insbesondere des TSH-Wertes."

Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin hatte sich Dr. F. im Untersuchungstermin beschwichtigend geäußert.

Der Arztbrief veranlasste die Beklagten zu keiner Reaktion. Ihrer Darstellung nach war die Klägerin im Vorfeld der Sonographie von ihnen aufgefordert worden, sich nachfolgend zur Befundbesprechung in ihrer Praxis zu melden. Eine solche Aufforderung habe es auch schon anlässlich der Überweisung vom 18.5.2005 gegeben. Das hat die Klägerin in Abrede gestellt.

Am 7.12.2006 wurde die Klägerin von einem Mädchen entbunden. Danach war sie mehrfach in der hausärztlichen Behandlung der Beklagten, ohne dass allerdings der vorliegende Schilddrüsenbefund thematisiert wurde.

Erst am 21.4.2009 kam es auf Veranlassung der Beklagten in der Praxis Dr. F. zu einer neuen Untersuchung. Eine Sonographie und ein Szintigramm offenbarten linksseitig vier in Progredienz befindliche Schilddrüsenknoten und daneben pathologisch vergrößerte Halslymphknoten. Kurz darauf wurde die Klägerin operiert. Dabei stellte man ein Schilddrüsenkarzinom mit Metastasen in den Lymphknoten fest. Die Schilddrüse musste komplett entfernt werden, und eine Radiojodtherapie schloss sich an.

Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin die Beklagten mit dem Vorwurf, sie hätten die Schadensentwicklung mangels einer nach dem Arztbrief vom 24.4.2006 gebotenen Abklärung der Verhältnisse im Jahr 2006 zu verantworten, auf immateriellen und materiellen, mit Aufwendungen für medizinische Maßnahmen und die Betreuung ihrer Tochter begründetem Schadensersatz in Anspruch genommen. Dieses Begehren hat das LG, auf dessen Urteil ebenso wie auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakten zur näheren Sachverhaltsdarstellung Bezug zu nehmen ist, abgewiesen. Gestützt auf das Ergebnis der Anhörung der Beklagten zu 1), ist es davon ausgegangen, dass der Klägerin nahegelegt worden sei, nach der Sonographie vom 20.1.2006 in der Praxis der Beklagten vorzusprechen; insofern hätten diese ihren Warn- und Hinweispflichten genügt. Dass im Anschluss an den Arztbrief vom 24.1.2006 eine entsprechende Aufforderung unterblieben sei, habe sich nicht schadensursächlich ausgewirkt, weil die Klägerin bereits von Dr. F. auf die Notwendigkeit einer Szintigraphie aufmerksam gemacht worden sei. Zu dieser Feststellung ist das LG - unabhängig vom Vortrag der Parteien - aufgrund einer Anhörung Dr. F's gelangt, die es in einem von der Klägerin gegen dessen Praxis angestrengten Parallelrechtsstreit vorgenommen hatte.

Die Klägerin greift das Urteil in Erneuerung ihres erstinstanzlichen Verlangens an. Sie hält daran fest, dass sie die Beklagten 2006 auf das Erfordernis einer Szintigraphie hätten hinweisen müssen. Einem derartigen Hinweis, der auch von Dr. F. nicht erteilt worden sei, wäre sie gefolgt. Das hätte dann im Weiteren zu therapeutischen Maßnahmen geführt, die die - mittlerweile mit metastasierenden Weiterungen verbundene - Schadensentwicklung des Jahres 2009 verhindert hätten.

II. Damit verm...

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