Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Zur Verkehrssicherungspflicht des Betreibers einer Freizeitanlage (hier: Überwachung der Sicherheit einer nicht zum Wettkampfsport zugelassenen Sprunganlage in einem öffentlichen Freibad).
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 30.04.2009; Aktenzeichen 1 O 380/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 30.4.2009 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
a) ein Schmerzensgeld i.H.v. 9.000 EUR;
b) weitere 797,70 EUR (Verdienstausfall) nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.3.2010 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden in Höhe einer Haftungsquote von 50 v.H. zu ersetzen hat, der dem Kläger aus dem Vorfall vom 27.7.2008 entstanden ist und noch entstehen wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug trägt der Kläger zu 16/25 und die Beklagte zu 9/25; die Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug trägt der Kläger zu 13/20 und die Beklagte zu 7/20.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die beklagte Verbandsgemeinde auf materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen eines Unfalls in einem öffentlichen Freibad in Anspruch.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das 3-m-Sprungbrett am Schwimmerbecken (Lichtbild Anlage K 3; Bl. 37 GA) entsprach nicht den Vorgaben für eine (Kunstsprung-)Wettkampfanlage. Ein Warn- oder Hinweisschild war zum Zeitpunkt des Badeunfalls des Klägers nicht vorhanden.
Der Kläger erlitt eine fast vollständige Ruptur der Quadrizepssehne beidseits mit entsprechenden Einblutungen; er wurde vom 29.7. bis 12.8.2008 stationär chirurgisch im Krankenhaus und vom 21.8. bis 17.9.2008 in einem ambulanten Rehazentraum behandelt (Anlagen Bl. 199 ff. GA). Es besteht ein Grad der (Geh-)Behinderung (GdB) von 50 (Bescheid Bl. 223 GA); der Kläger leidet nach wie vor unter deutlichen unfallbedingten Beeinträchtigungen sowohl im täglichen Leben als auch in seinem Beruf als Feuerwehrmann (Ärztlicher Bericht Bl. 222 GA)
Das LG hat mit Urteil vom 30.4.2009 (Bl. 64 ff. GA) die Klage abgewiesen; hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Der Kläger stellt die "Konstruktion des Sprungbretts" heraus, die für die von ihm, dem Kläger, gewählte Sprungtechnik nicht geeignet gewesen sei und daher - schon beim "ersten Anwippen" - zwangsläufig zum streitgegenständlichen Unfall habe führen müssen. Gerade dies hätte - über die bloße TÜV-Prüfung hinaus - vom zuständigen Aufsichtspersonal im Freibad vorsorglich berücksichtigt werden müssen; eine Testung der Sprunganlage bei "verschiedenen Sprungtechniken" sei aber nicht erfolgt. Die dementsprechende Verantwortung der Badeanstalt stehe auch der "Unterstellung eines Mitverschuldens" entgegen; die vom LG hier angenommene eigene Prüfungspflicht des Springers erscheine lebensfremd. Hinsichtlich der Schadensposition "Verdienstausfall" werde noch der Wegfall der "Zulagen für den sog. Dienst zu ungünstigen Zeiten" im Zeitraum August 2008 bis Juni 2009 i.H.v. insgesamt 1.724,87 EUR (Schriftsatz vom 26.2.2010, S. 2 ff.; Bl. 196 ff. GA) weiterverfolgt.
Der Kläger, der den bereits im ersten Rechtszug erhobenen Klageantrag zu 3 (Verdienstausfall; Schriftsatz vom 17.2.2009 [Bl. 33 GA] mit Sitzungsprotokoll vom 19.3.2009 [Bl. 57 GA]) im Berufungsverfahren zunächst erweitert (Schriftsatz vom 26.2.2010; Bl. 195 ff. GA) und dann teilweise i.H.v. 1.980 EUR mit Zustimmung der Beklagten wieder zurückgenommen hat (Schriftsätze vom 11.5.2010 [Bl. 267 f. GA] und vom 18.5.2010 [Bl. 270 GA]), beantragt, das Urteil des LG Koblenz vom 30.4.2009 abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, welches für den Fall der Säumnis des Beklagten den Betrag i.H.v. 25.000 EUR nicht unterschreiten mag, zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen hat, der dem Kläger aus dem Vorfall vom 27.7.2008 entstanden ist und entstehen wird;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 1.724,87 EUR (Verdienstausfallschaden) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung (Schriftsatz vom 26.2.2010) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, das in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht überzeuge. Die technische Ordnungsgemäßheit sei vom zuständigen TÜV geprüft und vorbehaltlos bestätigt worden; die festgestellten - auch beseitigen - Mängel seien nicht unfallursächlich geworden. Eine bestimmte Sprungtechnik des Klägers sei ihren, der Beklagten, Mitarbeitern nicht vorwerfbar unbekannt g...