Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast bei einem unter der Operation entstandenen Lagerungsschaden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Darlegungs- und Beweislast für die technisch richtige Lagerung des Patienten während einer Operation trifft die Behandlungsseite. An den Nachweis sind maßvolle, den Klinikalltag berücksichtigende Anforderungen zu stellen.

2. Die Beweislast kann anderes verteilt sein, wenn eine Prädisposition des Patienten bestand, dieser Umstand jedoch weder offen zutage lag noch offenbart wurde.

3. Ein selbst in einem operativen Fach tätiger langjährig berufserfahrener Arzt muss als Patient nicht über das Risiko eines Lagerungsschadens aufgeklärt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 253-254, 276, 278, 280, 611, 823, 831; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 29.04.2008)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Mainz vom 29.4.2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110 Prozent des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte bzw. die Streithelferin vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen

 

Gründe

I. Die Klägerin ist die Witwe und Alleinerbin des im Laufe des Berufungsverfahrens verstorbenen ursprünglichen Klägers, der als Unfallchirurg berufstätig war (im Folgenden: Patient). Sie nimmt den beklagten Arzt auf Schmerzensgeld, Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 24.2.2003 wurde bei dem Patienten eine mehr als zehnstündige urologische Operation durchgeführt. Postoperativ klagte er über eine Sensibilitätsstörung im rechten Arm. Dies und weitere Beeinträchtigungen der Armfunktion führte er darauf zurück, dass unter der Operation der nervus ulnaris geschädigt worden sei. Der Beklagte hafte wegen eines Aufklärungsversäumnisses, aber auch wegen nicht sachgemäßer Lagerung oder Druckschädigung des Arms unter der Operation.

Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Der Patient habe als unfallchirurgischer Chefarzt das Risiko eines Lagerungsschadens gekannt. Bei der Lagerung des Arms vor und während der Operation sei es nicht zu Versäumnissen oder einem sonstigen Fehlverhalten gekommen. Vielmehr habe sich ein typisches Operationsrisiko verwirklicht.

Das LG hat Zeugen gehört und ein urologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Hiernach hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, als erfahrener Unfallchirurg habe der Patient um die Gefahr eines Lagerungsschadens gewusst. Den ihm obliegenden Nachweis eines Fehlers des Beklagten bzw. seiner bei der Operation tätigen Helfer habe der Patient nicht geführt. Eine Beweiserleichterung oder gar eine Beweislastumkehr greife nicht.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie wiederholt, vertieft und ergänzt das erstinstanzliche Vorbringen des Patienten und meint, ihr komme eine Beweiserleichterung zugute, weil sich ein vom Beklagten voll beherrschbares Risiko verwirklicht habe.

Dem sind der Beklagte und dessen Streithelferin (Krankenhaus) entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat ein neurologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ansprüche aufgrund der Operation vom 24.2.2003 stehen der Klägerin nicht zu, weil der Patient nicht fehlerhaft behandelt worden ist. Dem Beklagten fällt auch kein Aufklärungsversäumnis zur Last. Gegen letzteres führt die Berufung keinen Angriff. Auch der Senat teilt die Auffassung des LG, dass ein jahrzehntelang als Unfallchirurg tätiger Arzt nicht über die Gefahr eines Lagerungsschadens aufgeklärt werden muss, weil er diese Gefahr aus seinem Berufsalltag kennt.

Der Senat unterstellt zugunsten der Rechtsmittelführerin, dass der postoperativ zu verzeichnende Lagerungsschaden unter der Operation entstanden ist. Der daran anknüpfenden These der Berufung, der Beklagte hafte für diesen Schaden, weil sich ein für ihn bzw. seine Hilfspersonen voll beherrschbares Risiko verwirklicht habe, kann indes nicht gefolgt werden.

Grundsätzlich trifft den Arzt die Darlegungs- und Beweislast für die technisch richtige Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch und in der postoperativen Aufwachphase. Auch muss die Behandlungsseite nachweisen, dass sämtliche zum Schutz des Patienten vor etwaigen Lagerungsschäden einzuhaltenden Regeln beachtet wurden. Diese Beweislastverteilung beruht auf der Überlegung, dass es sich um Maßnahmen handelt, die dem Risiko des Krankenhauses und dem ärztlichen Bereich zuzuordnen und voll beherrschbar sind (vgl. BGH VersR 1984, 386 [387]).

Diesen Nachweis sieht der Senat als geführt an, so dass e...

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