Entscheidungsstichwort (Thema)

Schlüssigkeit einer Vaterschaftsanfechtungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein heimlich eingeholtes DNA-Gutachten ist wegen Verstoßes gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar, auch nicht zur schlüssigen Darlegung von Zweifeln an der Vaterschaft (wie BGH v. 12.1.2005 - XII ZR 227/03, BGHReport 2005, 503 = MDR 2005, 632 = NJW 2005, 497).

2. Räumt jedoch die Mutter als Reaktion auf dieses Gutachten möglichen Mehrverkehr ein, reicht dies für die schlüssige Darstellung i.S.d. § 1600b BGB aus. Grundlage der gerichtlichen Schlüssigkeitsprüfung ist dann nicht das DNA-Gutachten sondern die Erklärung der Kindesmutter Das gilt auch dann, wenn die Klage zunächst nur mit dem DNA-Gutachten begründet wurde und die Mutter - prozessordnungswidrig - als Zeugin oder Partei hierzu gehört wurde.

3. Die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB beginnt nicht zu laufen, wenn der Scheinvater aus ihm zugehenden Informationen falsche Schlüsse zieht und deshalb subjektiv den Verdacht hegt, nicht der Vater zu sein, obwohl die Informationen bei objektiver Betrachtung dazu nicht geeignet sind.

 

Normenkette

BGB §§ 1592, 1599, 1600b

 

Verfahrensgang

AG Idar-Oberstein (Urteil vom 22.06.2005; Aktenzeichen 8 F 598/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG - FamG - Idar-Oberstein vom 22.6.2005 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater des Beklagten ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

I. Der Kläger erstrebt die Feststellung, nicht der Vater des am 18.12.1986 geborenen Beklagten zu sein, dessen Vaterschaft er in einer am 24.9.1990 vor dem Jugendamt Birkenfeld errichteten Urkunde anerkannt hat. Das FamG hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, weil es sich aufgrund des am 12.1.2005 ergangenen Urteils des BGH - XII ZR 227/03 - (BGH v. 12.1.2005 - XII ZR 227/03, BGHReport 2005, 503 = MDR 2005, 632 = NJW 2005, 497) an einer Verwertung eines vorprozessual vom Kläger heimlich eingeholten Vaterschaftsgutachtens und auch des Ergebnisses der hierdurch iniziierten Beweisaufnahme gehindert sah.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel weiter und behauptet, durch die Aussage der Mutter in erster Instanz erstmals erfahren zu haben, dass diese in der gesetzlichen Empfängniszeit eine andere Beziehung gehabt habe; diese habe ihn stets in den Glauben versetzt, dass er der Vater sei. Erste Zweifel an seiner Vaterschaft seien ihm gekommen, als er im Mai 2001 den Mutterpass gefunden und dahin gelesen habe, dass ärztlicherseits als Tag der Zeugung der 4.3.1986 angegeben gewesen sei, als er - Kläger - sich nicht bei der Mutter in Deutschland sondern in Kalifornien aufgehalten habe. Hierauf angesprochen habe die Mutter ihm mehrfach erklärt, der Beklagte sei sein Sohn, er sei verrückt. Dies habe er zunächst geglaubt, weil der Beklagte, ebenso wie er, farbig sei und am linken Oberschenkel ein Muttermal trage.

Der Beklagte ist der Ansicht, der Kläger könne sich auf neue Erkenntnisse aufgrund des unzulässig eingeleiteten Verfahrens nicht berufen. Hierbei handele es sich um sog. "fruits of a poison tree", hinsichtlich derer ein Verwertungsverbot bestehe. Zudem sei die Anfechtung verspätet. Bereits vor seiner Geburt habe seine Mutter dem Kläger mitgeteilt, dass er eventuell nicht der Vater sei. Darüber hinaus seien die im Mai 2001 entdeckten Eintragungen im Mutterpass objektiv geeignet gewesen, ernsthafte Zweifel an der Vaterschaft zu wecken.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf das Urteil des FamG, die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II. Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung hat in der Sache Erfolg. Nach §§ 1599 Abs. 1, 1592 Nr. 2 BGB ist festzustellen, dass der Kläger nicht der Vater des Beklagten ist.

Der Sachverständige Prof. Dr. R. hat in seinem Blutgruppen-/DNA-Gutachten vom 27.9.2004 festgestellt, dass in sieben von zwölf Systemen eine Vaterschaft des Klägers ausgeschlossen ist. Der Senat hat keinen Anlass, die hierauf basierende Schlussfolgerung des Sachverständigen, dass eine biologische Vaterschaft des Klägers zum Beklagten unmöglich ist, in Zweifel zu ziehen.

Der Senat ist nicht daran gehindert, dieses Gutachten zu verwerten. Allerdings war die nur auf das Ergebnis der privat eingeholten DNA-Vaterschaftsanalyse gestützte Klage zunächst nicht schlüssig begründet. Eine heimlich veranlasste DNA-Vaterschaftsanalyse ist nämlich wegen Verstoßes gegen das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG verbürgte informationelle Selbstbestimmungsrecht rechtswidrig und im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar, auch nicht zur schlüssigen Darlegung von Zweifeln an der Vaterschaft i.S.v. § 1600b BGB (BGH v. 12.1.2005 - XII ZR 227/03, BGHReport 2005, 503 = MDR 2005, 632 = NJW 2005, ...

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