Leitsatz (amtlich)
1. Bewilligt der Inhaber eines im Grundbuch eingetragenen Wohnrechts unentgeltlich dessen Löschung, liegt der Wert der Bereicherung des Grundstückseigentümers nicht im Wert des Wohnrechts für den Wohnberechtigten als solchem, sondern nur in der Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks bei Wegfall des Wohnrechts, da nur der sich hieraus ergebende Wertzuwachs dem Beschenkten zugutekommt.
2. Befindet sich die Immobilie in einem desolaten, nicht bewohnbaren Zustand, macht im Regelfall erst die Löschungsbewilligung das Hausgrundstück zu einem marktfähigen Objekt.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 15 O 266/16) |
Tenor
1) Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.04.2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz, Az.: 15 O 266/16, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.769,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.209,18 EUR seit dem 01.04.2016 und aus weiteren 3.560,26 EUR seit dem 23.08.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Beklagte war Eigentümerin eines Hausgrundstücks in O., das ihr im Jahre 1995 von ihrer Mutter, Frau W., zu Alleineigentum übertragen worden war. Zugunsten der Mutter wurde seinerzeit ein unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht auf Lebenszeit im Grundbuch eingetragen, dessen Überlassung an Dritte der Inhaberin gestattet war. Die Beklagte führte umfangreiche Renovierungsarbeiten an dem Wohnhaus durch. Sie veräußerte das Hausanwesen im März 2009 lastenfrei zu einem Verkaufspreis von 52.000 EUR, nachdem die Mutter die Löschung des Wohnungsrechts im Grundbuch bewilligt hatte.
Der klagende Landkreis ist örtlicher Träger der Sozialhilfe. Er gewährte der Mutter der Beklagten im hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.07.2015 bis 31.07.2016 Hilfe zur Pflege in Höhe der ansonsten nicht gedeckten Heimpflegekosten. Mit der vorliegenden Klage nimmt er die Beklagte im Umfang der für ihre Mutter erbrachten Nettosozialhilfeaufwendungen aus übergeleitetem Recht gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 528 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung auf Herausgabe des Geschenkten, der Befreiung von der dinglichen Last des Wohnungsrechts, in Anspruch.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf die Feststellungen des Erstgerichts in dem Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 13.859,44 EUR nebst Zinsen gerichteten Klage nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens in Bezug auf den Wert des im Grundbuch gelöschten Wohnungsrechts und nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 5.200,00 EUR nebst Zinsen verpflichtet. Dabei hat das Erstgericht - unabhängig von den Feststellungen des Gutachters - die Bewertung des durch Schenkung Erlangten, die Befreiung von der dinglichen Verpflichtung zur Gewährung des Wohnungsrechts für die Mutter, anhand einer Schätzung nach § 287 BGB vorgenommen.
Unter Vertiefung, Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens wendet sich der Kläger mit der Berufung gegen die landgerichtliche Entscheidung und verfolgt sein ursprüngliches Klagebegehren unter Anrechnung des zwischenzeitlich geleisteten, durch das Landgericht ausgeurteilten Betrages von 5.200,00 EUR sowie weiterer, auf die Klageforderung in Höhe von 2.090,00 EUR außergerichtlich geleisteter Zahlungen weiter.
Er beantragt,
in teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Koblenz vom 09.04.2016 die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 6.569,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.009,18 EUR seit dem 01.04.2016 und im Übrigen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie greift im Kern die Wertbemessung des im Grundbuch gelöschten Wohnungsrechts an und vertritt insoweit die Auffassung, aufgrund des desolaten, unbewohnbaren Zustands des Hausgrundstücks zum Zeitpunkt der Löschung der dinglichen Belastung sei das Wohnungsrecht nicht mit einem messbaren Wert zu veranschlagen.
Wegen des weiteren Vorbringens zweiter Instanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat den Sachverständigen für Hochbau Dipl.-Ing. M. erneut mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens zur Bewertung des gelöschten Wohnungsrechts betraut und ihn im Termin der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis seiner gutachterlichen Feststellungen angehört. Wegen des Ergebnisses der Begutachtung wird auf die schriftlichen Ausführungen im Gutachten vom 13.03.2020 (Bl. 264-296 d. A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 29.06.2020 (Bl. 333-337 d. A.) Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte un...