Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung des Eigenanteils des Patienten nach Kündigung des zahnärztlichen Behandlungsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kommt es innerhalb einer kurzen Zeitspanne an einer Zahnbrücke wiederholt zu Keramikschäden und letztlich zu deren Lockerung, kann die daran anknüpfende Vertragskündigung auch zu einem Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten Eigenanteils führen, wenn das Interesse des Patienten entfallen ist.

2. Beruhen Beeinträchtigungen und Schmerzen des Patienten nicht auf einem Behandlungsfehler, sondern auf Materialschwächen, schuldet der Zahnarzt insoweit kein Schmerzensgeld. Die einmalig schmerzhafte Entfernung einer instabilen Brücke kann ein Schmerzensgeld von 500 EUR rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 276, 280, 611, 627-628, 812, 823

 

Verfahrensgang

LG Trier (Urteil vom 20.03.2013; Aktenzeichen 4 O 282/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Trier vom 20.3.2013 sowie das Versäumnisurteil des AG Wittlich vom 11.5.2011 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels dahin geändert, dass die Beklagte bei Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt wird, an die Klägerin 1.751,09 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.251,09 EUR seit dem 21.5.2010 und aus 500 EUR seit dem 20.2.2013 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Klägerin wurde am 11.10.2006 in der Praxis der beklagten Zahnärztegemeinschaft eine keramikverblendete Oberkieferbrücke eingegliedert. Dem lag ein Heil- und Kostenplan zugrunde, der einen Eigenanteil von 1.251,09 EUR vorsah. Der Betrag wurde von der Klägerin entrichtet.

Nach Keramikabplatzungen bereitete die Beklagte am 24.8.2007 einen Austausch der Prothetik vor. Die neue Brücke wurde am 7.9.2007 eingesetzt. Wenig später erhielt die Klägerin erstmals eine Knirschschiene, die ihrem Bruxismus entgegenwirken sollte.

Erneute Frakturen in der Verblendung führten weniger als ein Jahr später zur Vorbereitung einer weiteren Brücke. Sie wurde von der Beklagten am 28.11.2008 angebracht.

Ende 2009 beklagte sich die Klägerin über einen lockeren Brückensitz, Keramikbrüche und einen Inzisalkantenverlust, die gutachterlich attestiert worden waren. Die Beklagte bot Nachbesserung an. Die Klägerin begab sich indessen in anderweitige zahnärztliche Behandlung.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat sie die Beklagte, gestützt auf den Vorwurf einer anhaltend mangelhaften und damit letztlich unbrauchbaren prothetischen Versorgung, die zu erheb- lichen Belastungen für ihre Person geführt habe, zur Rückgewähr des an sie geleisteten Eigenanteils von 1.251,69 EUR und zur Zahlung eines mit mindestens 4.000 EUR zu beziffernden Schmerzensgelds in Anspruch genommen. Dieses Verlangen hat das LG, an- knüpfend an die Darlegungen eines von ihm befragten Sachverständigen, abgewiesen, weil die streitige Prothetik für die Klägerin nicht unbrauchbar gewesen sei.

Diese Entscheidung greift die Klägerin mit der Berufung in Erneuerung ihres erstinstanz- lichen Verlangens an. Sie meint, dass die Mangelhaftigkeit der Leistung der Beklagten hinlänglich belegt sei. Insoweit sei auch von Gewicht, dass es zahlreiche Lücken in der zahnärztlichen Dokumentation gebe.

II. Das Rechtsmittel hat einen Teilerfolg. Die Beklagte ist zur Auskehr des von der Klägerin im Jahr 2006 erbrachten Eigenanteils von 1.251,09 EUR und zur Zahlung eines Schmerzensgelds von 500 EUR zu verurteilen. Der darüber hinaus von der Klägerin erhobene Schmerzensgeldanspruch unterliegt der Abweisung.

1. Die Honorarrückgewährforderung, die mit der Klage verfolgt wird, ist gerechtfertigt. Die Auffassung des LG, der Beklagten könne die zahnärztliche Vergütung erst streitig gemacht werden, wenn ihre Leistungen als unbrauchbar einzustufen seien, greift zu kurz. Allerdings ist zu sehen, dass zwischen den Parteien ein Dienstvertragsverhältnis bestand:

Die Beklagte war - anders als ein Zahntechniker - nicht mit der bloßen Anfertigung eines Zahnersatzes nach einem vorgegebenen Abdruck beauftragt, sondern mit der Herstellung einer Prothese betraut, die nach der individuellen Situation der Klägerin konzipiert und in Würdigung eben dieser Situation eingepasst werden musste. Insofern wurde eine Leistung geschuldet, die nur bedingt objektivierbar und deshalb dienstvertraglich einzuordnen ist (BGH NJW 2011, 1674; Senat, Urt. v. 21.10.2010 - 5 U 548/10; OLG Koblenz MDR 2011, 1278; OLG Naumburg NJW-RR 2008, 1056; OLG Oldenburg MDR 2008, 553).

Abweichend vom Werkvertragsrecht kennt das Dienstvertragsrecht keine Mängelhaftung (BGH, NJW 1963, 1301; BGH, NJW 1981, 1211; Richardi/Fischinger in Staudinger, BGB 2011, § 611 Rz. 716). Der Dienstleistende schuldet eine Tätigkeit, nicht aber einen bestimmten Arbeitserfolg. Deshalb kann der Vergütungsanspruch bei einer unzureichenden oder pflichtwidrigen Leistung grundsätzlich nicht gekürzt werden oder in Fortf...

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