Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsanspruch des Erben über lebzeitige Zuwendungen an den Pflichtteilsberechtigten; Unzulässigkeit eines Teilurteils über Pflichtteil und erste Stufe der Auskunftswiderklage des Erben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über lebzeitige, auf den Pflichtteil anzurechnende Zuwendungen ist der Pflichtteilsberechtigte dem Erben in entsprechender Anwendung von § 2057 BGB auskunftspflichtig (gegen OLG München 14 U 3585/12 und OLG Köln 1 U 56/13). Schöpft der Erbe seine Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich solcher Zuwendungen aus, muss der Pflichtteilsberechtigten seinerseits wegen der ihn treffenden Auskunftspflicht substantiiert erwidern (Anschluss an BGH IV ZR 91/09).

2. Tritt der Erbe der Zahlungsklage des Pflichtteilsberechtigten mit einer Stufenwiderklage entgegen, mit der er auf der ersten Stufe Auskunft über lebzeitige anzurechnende Zuwendungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten verlangt, darf über diesen Streitstoff nicht durch Teilurteil entschieden werden.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 2050 Abs. 3, §§ 2057, 2303, 2315, 2325; ZPO §§ 138-139, 253, 301, 322, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, § 538 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 29.05.2015; Aktenzeichen 2 O 156/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil der 2. Zivilkammer des LG Mainz vom 29.5.2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben. Die Entscheidung über die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger erhebt Pflichtteilsansprüche. Der Beklagte begehrt im Wege der Stufenwiderklage auf erster Stufe die Erteilung einer Auskunft über anzurechnende lebzeitige Zuwendungen.

Der Kläger ist der einzige Sohn der am 17.5.2013 verstorbenen Waltraud S. (Erblasserin). Der Beklagte war der Ehemann der Erblasserin und ist gemeinsam mit der nach Erlass eines Teilanerkenntnisurteils nicht mehr am Rechtsstreit beteiligten Beklagten zu 2) Erbe.

Der Kläger verlangt unter Aufstellung des um die Nachlassverbindlichkeiten bereinigten Nachlasses einen Pflichtteil von 1/4 des Nachlassvermögens.

Der Beklagte ist dem - zunächst durch tatsächlichen Vortrag, später durch Erhebung der Stufenwiderklage - mit dem Einwand entgegen getreten, der Kläger müsse sich lebzeitige Zuwendungen der Erblasserin nach § 2315 BGB anrechnen lassen.

Der Kläger hat erstinstanzlich einen auf 18.946,75 EUR bezifferten Pflichtteil nebst Zinsen, der Beklagte mit seiner Widerklage auf erster Stufe die Auskunftserteilung über sämtliche Zuwendungen seitens der Erblasserin in Form eines geschlossenen Verzeichnisses beantragt. Hinsichtlich des weiteren tatsächlichen Vortrags sowie der konkret gestellten Anträge wird auf das angefochtene Teilurteil verwiesen.

Das LG hat dem Zahlungsantrag des Klägers stattgegeben und über die Stufenwiderklage dahin entschieden, dass ein Auskunftsanspruch des Beklagten nicht bestehe. Zur Begründung hat das LG darauf verwiesen, der Kläger habe das Nachlassvermögen zutreffend berechnet; nach § 2315 BGB anrechnungspflichtige Zuwendungen seien nicht gegeben. Insoweit fehle es an hinreichendem Vorbringen des Beklagten. Der mit der Stufenwiderklage auf erster Stufe geltend gemachte Auskunftsanspruch bestehe nicht, da der Kläger im Prozess durch die Mitteilung, keine anrechnungspflichtigen Zuwendungen empfangen zu haben, den Auskunftsanspruch erfüllt habe. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf das angefochtene Teilurteil vom 29.5.2015 Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Zur Begründung führt er aus, das vom LG erlassene Teilurteil sei unzulässig, da es wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen mit § 301 Abs. 1 ZPO nicht zu vereinbaren sei. Darüber hinaus habe das LG in unzulässiger Weise durch eine Parteivernehmung Beweis erhoben. Der Auskunftsanspruch hinsichtlich der Zuwendungen durch die Erblasserin sei keineswegs erfüllt. Hinsichtlich der weiteren Angriffe gegen die Entscheidung des LG wird auf die Berufungsbegründung vom 15.9.2015 verwiesen.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 29.5.2015 verkündeten Teilurteils des LG Mainz den Auskunftsantrag zu Ziff. 1 der Widerklage zuzusprechen und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Insoweit wird auf die Berufungserwiderung vom 12.11.2015 Bezug genommen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Das angegriffene Teilurteil ist nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung an das LG zurückzuverweisen.

1. Das LG hat durch ein unzulässiges Teilurteil über den Pflichtteilsanspruch sowie den vom Beklagten erhobenen Auskunftsanspruc...

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