Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbares Urteil während des Insolvenzverfahrens
Normenkette
ZPO §§ 240, 249, 538 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 06.03.2006; Aktenzeichen 16 O 146/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 6.3.2006 - mitsamt dem Verfahren seit Insolvenzeröffnung am 5.12.2003 - aufgehoben, soweit es den Beklagten zu 1) betrifft.
Insoweit wird der Rechtsstreit an das LG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach Beendigung der Unterbrechung zurückverwiesen.
Der Kläger hat 2/3 der Gerichtskosten zweiter Instanz zu tragen; 1/3 der Gerichtskosten zweiter Instanz wird nicht erhoben. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil des LG vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Mit seiner Klage hat der Kläger die ... Vertriebs GmbH & Co. KG sowie die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Prospekthaftung in Anspruch genommen.
Mit Beschluss vom 5.12.2003 hat das AG Montabaur (14 IN 402/03) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... Vertriebs GmbH & Co. KG eröffnet und Rechtsanwalt K. zum Insolvenzverwalter bestellt (GA Bl. 172 = Bl. 739).
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat das LG die Klage gegen alle drei Beklagten mit Urteil vom 6.3.2006, auf das zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, abgewiesen (GA Bl. 624-632, 632a-632c).
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgt hat.
Mit Beschluss vom 10.11.2006 hat der erkennende Senat die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, soweit in dem angefochtenen Urteil die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) abgewiesen worden ist; die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) sind dem Kläger auferlegt worden (GA Bl. 776-780).
Nunmehr beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen worden ist, und den Rechtsstreit insoweit an das LG Koblenz zurückzuverweisen (GA Bl. 799).
II. Die Berufung des Klägers ist - in dem noch anhängigen Umfang - zulässig und hat einen vorläufigen Erfolg.
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die ... Vertriebs GmbH & Co. KG am 5.12.2003 (GA Bl. 172 = Bl. 739) ist der Rechtsstreit gem. § 240 ZPO unterbrochen worden. Das Insolvenzverfahren 14 IN 402/03 AG Montabaur ist noch nicht beendet; weder der Kläger noch der Insolvenzverwalter haben das Verfahren aufgenommen.
Da es sich bei den drei Beklagten um einfache Streitgenossen handelte, trat die Unterbrechung nur in Bezug auf den Beklagten zu 1) ein (BGH v. 19.12.2002 - VII ZR 162/02, NJW-RR 2003, 1002; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 240 Rz. 7).
Das Verfahren gegen die Beklagten zu 2) und 3) wurde durch die vorgenannte Unterbrechung nicht berührt. Dies hat der BGH ausdrücklich bejaht trotz der jeweils offenliegenden Gefahr, dass bei Aufnahme des durch die Insolvenz unterbrochenen Verfahrens eine abweichende Entscheidung ergehen könnte. In ständiger Rechtsprechung hat der BGH deshalb stets die Möglichkeit bejaht, in Fällen wie dem vorliegenden durch Teilentscheidung abschließend zu entscheiden. Da die Insolvenz der ehemaligen Beklagten zu 1) somit keinen Einfluss auf den Rechtsstreit hatte, soweit er sich gegen die Beklagten zu 2) und 3) richtete, durfte das LG insoweit über die Klage befinden; der Senat konnte deshalb auch über die Berufung insoweit bereits abschließend entscheiden.
Soweit die Klage sich gegen den Beklagten zu 1) als Insovenzverwalter über das Vermögen der ... Vertriebs GmbH & Co. KG richtet, hätte ein Urteil während der Unterbrechung jedoch nicht ergehen dürfen. Eine gerichtliche Entscheidung, die während eines Verfahrensstillstands nach § 249 ZPO ergeht, ist aber nicht nichtig, sondern lediglich mit dem allgemein zulässigen Rechtsmittel anfechtbar (st. Rspr.; vgl. BGH v. 21.6.1995 - VIII ZR 224/94, MDR 1995, 1163; v. 31.3.2004 - XII ZR 167/00, ZIP 2004, 1120; Feiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 249 Rz. 22; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 249 Rz. 15 und § 210 Rz. 14; Musielak/Stadler, ZPO, 4, Aufl., § 249 Rz. 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 249 V Rz. 30).
Soweit das Urteil den Beklagten zu 1) betrifft, war es - mitsamt dem Verfahren seit Insolvenzeröffnung - in analoger Anwendung des § 538 Abs. 2 ZPO aufzuheben und zur erneuten Entscheidung nach Beendigung der Unterbrechung an das LG zurückzuverweisen (OLG Hamburg v. 7.6.2005 - 9 U 167/03, OLGR 2005, 765; OLG Oldenburg v. 22.2.2005 - 2 U 97/04, MDR 2005, 836; OLG Hamm v. 16.3.2006 - 27 W 11/06, MDR 2006, 1309; Zöller/Greger, a.a.O., § 249 Rz. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
1/13 der Gerichtskosten zweiter Instanz wird gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der abschließenden Entscheidung des LG vorbehalten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO (OLG Mü...