Leitsatz (amtlich)
Die Ersatzpflicht des für einen Gesundheitsschaden einstandspflichtigen Schädigers erstreckt sich auch auf psychisch bedingte Folgewirkungen des von ihm herbeigeführten haftungsbegründenden Ereignisses. Dies gilt auch für eine psychische Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens, vorausgesetzt es besteht eine hinreichende Gewissheit dafür, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre. Diese Frage muss durch Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise geprüft werden, woran bei Vorhandensein psychischer Beeinträchtigungen vor dem Unfall wie einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung und diejenigen einer posttraumatischen Belastungsstörung können zum Teil verwechselt werden. Auch gerichtliche Gutachten von Sachverständigen unterliegen der freien Beweiswürdigung.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 21.03.2005; Aktenzeichen 5 O 478/00) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 21. März 2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 1) und zu 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. 1. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz verteilen sich wie folgt:
a) Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 85 %, die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner 15 %.
b) Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser selbst 85 %, die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner 15 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 3) trägt der Kläger 85 %, zu 15 % tragen die Beklagten zu 1) und 3) ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz aufgrund eines Unfallereignisses, das sich am 15. März 2000 in A... ereignet hat. Der damals knapp neuneinhalbjährige Kläger wurde beim Überqueren der Landstrasse ... als Fußgänger von dem Beklagten zu 1) mit dem Fahrzeug der Beklagten zu 2), das bei der Beklagten zu 3) gegen Haftpflicht versichert ist, angefahren. Er erlitt eine Schambeinastfraktur, eine Kopfprellung und Prellungen am linken Ober- und Unterschenkel. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch darum, ob der schon vor dem Unfall lernbehinderte Kläger durch den Unfall auch eine weiter gehende Störung erlitten hat und deshalb unbeschadet vorher vorhandener Lernbehinderungen auf die Sonderschule wechseln musste.
Der Kläger hat, soweit dies für die Berufungsinstanz noch von Bedeutung ist, vorgetragen, er habe nach dem Unfall an Schlafstörungen, Alpträumen, Konzentrationsstörungen gelitten und sein Lernverhalten nachhaltig verschlechtert. Er sei demotiviert und zurückgezogen gewesen. Er habe eine psychiatrische Behandlung in Anspruch nehmen müssen und dies könne auch künftig erforderlich werden. Der Kläger hat beantragt, die Beklagten zu 1) und zu 3) zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn ein weiteres Schmerzensgeld über vorgerichtlich von der Drittbeklagten gezahlte 2.500 DM hinaus von mindestens 11.000 DM (5.624,21 Euro) nebst Zinsen zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und zu 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm allen weiteren immateriellen Schaden, die Beklagten zu 1) bis 3) auch allen künftigen materiellen Schaden aus dem Unfallereignis zu ersetzen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben die Ursächlichkeit des Unfalls für die behaupteten psychischen Beeinträchtigungen bestritten und ausgeführt, die Lernschwierigkeiten seien auf vorher vorhandene Anlagemängel zurückzuführen. Der Schulwechsel des Klägers auf die Sonderschule sei nicht durch den Unfall bedingt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens der Sachverständigen Dr. B...-G..., die ihr Gutachten auch mündlich erläutert hat. Auch der von der Sachverständigen mitgebrachte Dr. P... wurde - ohne vorherige Bestellung zum Sachverständigen und ohne Einbeziehung in den Beweisbeschluss des Gerichts - in der mündlichen Verhandlung gleichfalls als Sachverständiger angehört. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht durch Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer vom 21. März 2005 der Klage im Wesentlichen stattgegeben, wobei es nur ein Mitverschulden des Klägers von 25 % angenommen hat. Es hat die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 5.000 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Ersatzpflicht aller Beklagten als Gesamtschuldner für den weiteren materiellen Schaden des Klägers zu 75 % sowie die Ersatzpflicht der Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner für weitere immaterielle Schäden des Klägers unter Berücksicht...