Leitsatz (amtlich)
Zu Umfang und Inhalt der winterlichen Räum- und Streupflicht einer rheinlandpfälzischen Gemeinde (hier: Sturz als Fußgänger auf öffentlichem Parkplatz).
Normenkette
BGB § 839 Abs. 1; LStrG RP § 11 Abs. 2, § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 3; LStrG § 48 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 29.01.2010; Aktenzeichen 2 O 459/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Trier vom 29.1.2010 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt wegen eines Glatteisunfalls auf einem öffentlichen Parkplatz auf Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz in Anspruch.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Die Klägerin hatte in der Klageschrift vorgetragen, dass der Parkplatz zur betreffenden Zeit "vollkommen vereist" gewesen sei; in ihrer Replik (Schriftsatz vom 20.3.2007 - Bl. 42 ff. GA - i.V.m. Schriftsatz vom 27.3.2007 - Bl. 77 GA) hat sie dies dahingehend "relativiert", dass die Vereisung "in dem Bereich, in dem [sie] letztlich zu Fall geraten ist" vorgelegen und sie "beim erstmaligen Queren des Parkplatzes (...) eine Eisglätte nicht bemerkt" habe.
Das LG hat - nach Anhörung der Klägerin (Protokoll Bl. 107 ff. GA) und Beweisaufnahme (Zeugen; Sachverständigengutachten) - mit Urteil vom 29.1.2010 (Bl. 285 ff. GA) der Klage im Wesentlichen stattgegeben; hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte rügt, dass schon vom Sachvortrag der Klägerin die Annahme einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht getragen werde; eine Räum- und Streupflicht bestehe nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nämlich nur bei "allgemeiner Glättebildung". Aber auch das Ergebnis der vom LG ungeachtet des unschlüssigen Klagevorbringens durchgeführten Beweisaufnahme rechtfertige den festgestellten Haftungsgrund nicht; es sei kein anderer Geschehensablauf denkbar als derjenige, dass in der kurzen Zeitspanne zwischen dem ersten Eintreffen der Klägerin einerseits und deren Rückkehr andererseits eine "plötzliche Glättebildung" aufgetreten sei. Jedenfalls aber liege - vorsorglich - ein anspruchsminderndes, wenn nicht sogar haftungsausschließendes Mitverschulden der Klägerin am Unfallgeschehen vor; aus Sicht der Klägerin sei am besagten Tage generell mit einer Glättebildung durch überfrierendes Tauwasser auf dem Parkplatzgelände zu rechnen gewesen. Schließlich sei auch - weiter vorsorglich - das vom LG bemessene Schmerzensgeld übersetzt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Trier vom 29.1.2010 teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Grund und Höhe des festgestellten Schadensersatzanspruchs. Die Streupflicht der beklagten Stadt sei am Morgen des Unfalltages gegeben gewesen (06.00 Uhr; -3 C); die Beweisaufnahme und -würdigung im ersten Rechtszug habe dies bestätigt. Die von der Berufung herausgestellte angebliche "Blitzeisbildung" (Ausnahmesituation) sei schon in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar; sie - die Klägerin - habe auf dem Hinweg keine Glätte festgestellt und habe deshalb auch auf dem ("vorsichtig gegangenen") Rückgang von fehlender Glätte ausgehen dürfen.
II. Die - zulässige - Berufung hat in der Sache Erfolg.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die - verbandsangehörige - beklagte Stadt wegen schuldhafter Verletzung der Räum- und Streupflicht (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG; § 48 Abs. 2 LStrG) besteht bereits dem Grunde nach nicht.
1. Der hier gegenständliche Parkplatz in der E.-Straße in T. steht als Gemeindestraße (§ 3 Nr. 3 Buchst. a LStrG) in der Unterhaltungslast der beklagten Stadt (§ 11 Abs. 1, 14 LStrG). Der Träger der Straßenbaulast soll nach besten Kräften auch die Straßen von Schnee räumen und bei Schnee- und Straßenglätte streuen (§ 11 Abs. 2 LStrG). In Rheinland-Pfalz besteht daneben die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Amtspflicht der Gemeinden zur Straßenreinigung (§§ 17, 48 Abs. 2 LStrG); sie entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (BGH NJW 1993, 2802). Die Reinigungspflicht obliegt unmittelbar der (Orts-)Gemeinde (§ 17 Abs. 3 Satz 1 LStrG); sie umfasst insbesondere auch das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen bei Glätte (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LStrG). Es handelt sich nicht um eine der Verbandsgemeinde übertragene Aufgabenerfüllung im Zuständigkeitsbereich der Straßenbaubehörde (§ 68 Abs. 2 Satz 1 GemO i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 2 LStrG; vgl. BGH VersR 1997, 311 f. zur überkommenen "polizeilichen Reinigungspflicht").
2. Nach der ständigen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung - auch derjenigen des Senats - richten sich Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflich...