Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Krankenhaushaftung für Sturz bei verweigertem Bettgitter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Krankenhaus-Aufnahmevertrag verpflichtet das Klinikpersonal, einen unruhig schlafenden Patienten im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auch vor der Gefahr zu schützen, sich bei einem Sturz aus dem Bett zu verletzen. Gleichwohl ist das Anbringen von Bettgittern nur unter besonderen Umständen angezeigt, weil sie das Aufstehen behindern und daher ihrerseits verletzungsträchtig sein können.

2. Trotz bestehender Indikation zum Anbringen von Bettgittern muss davon abgesehen werden, wenn der über die Risiken informierte, bewusstseinsklare Patient eine derartige Sicherungsmaßnahme ablehnt.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 278, 280, 823

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 20.02.2008; Aktenzeichen 10 O 230/07)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 20.2.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte in entsprechender Höhe Sicherheit stellt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger wurde am 18.1.2007 wegen des Verdachts auf einen Schlaganfall im Krankenhaus der Beklagten aufgenommen. Sein Zustand besserte sich in den Folgetagen.

Am frühen Morgen des 22.1.2007 wurde er krampfend neben dem Bett aufgefunden. An seinem Rücken hatte sich, bedingt durch den Kontakt mit dem benachbarten Heizkörper, eine Brandwunde gebildet. Die Verletzung ist noch heute deutlich sichtbar und muss engmaschig versorgt werden.

Vor diesem Hintergrund hat der Kläger die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf die Zahlung eines mit mindestens 20.000 EUR bezifferten Schmerzensgeldes und einer materiellen Ausgleichsleistung von 674,61 EUR in Anspruch genommen sowie die Feststellung weitergehender Ersatzpflichten beantragt. Er hat vorgebracht, im Schlaf aus dem Bett gestürzt zu sein. Dem habe man im Krankenhaus sorgfaltswidrig nicht vorgebeugt.

Es habe Anlass bestanden, Schutzgitter am Bett anzubringen, weil er einen unruhigen Schlaf habe. Darauf sei das Krankenhauspersonal sowohl am 18. als auch am 19.1.2007 von seiner Ehefrau hingewiesen worden. Sie habe vor Ort mitgeteilt, dass er seit 10 Jahren zu Hause mit entsprechenden Sicherungen schlafe, nachdem er zuvor mehrfach aus dem Bett gefallen sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Aus seiner Sicht bestand keine besondere Gefahrenlage, die die Montage von Schutzgittern indiziert hätte.

Diese Entscheidung, auf die ebenso wie auf den Inhalt der Gerichtsakten zur näheren Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, greift der Kläger in Erneuerung seines Begehrens mit der Berufung an. Er trägt vor, auch seinerseits nach Schutzgittern verlangt zu haben. Demgegenüber behauptet die Beklagte, er habe die Anbringung von Gittern ausdrücklich abgelehnt.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Beklagte braucht nicht für die Folgen des Schadensereignisses vom 22.1.2007 einzustehen. Ihr kann nämlich kein Pflichtverstoß angelastet werden.

Allerdings war die Beklagte aufgrund des Krankenhaus-Aufnahmevertrages gehalten, den Kläger im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu schützen. Dazu gehörte auch, ihn vor einer von ihm selbst ausgehenden Schädigung zu bewahren (OLGReport Düsseldorf 2004, 362, 363). Deshalb musste in Betracht gezogen werden, das Bett des Klägers mit Gittern zu versehen, um Stürze abzuwenden.

Freilich ist die Anbringung von Gittern an Krankenbetten, ebenso wie dies erst recht für die Fixierung eines Patienten im Bett zutrifft (vgl. dazu OLG Düsseldorf VersR 2002, 984, 985; KGReport Berlin 2005, 43), nur unter besonderen Umständen angezeigt, weil sie das Aufstehen behindern und verletzungsträchtig sein kann (OLGReport Stuttgart 2001, 239, 240). Hier sprach jedoch viel für eine entsprechende Indikation. Die Ehefrau des Klägers hat in ihrer Zeugenaussage bekundet, das Krankenhauspersonal alsbald nach der stationären Aufnahme mehrfach auf den unruhigen Schlaf des Klägers und das dadurch -zu Hause langjährig umgesetzte- Erfordernis hingewiesen zu haben, das Bett seitlich zu sichern. Der Kläger sei nämlich vor der Installation einer solchen Sicherung zu Fall gekommen. Ähnliches hat der Zeuge B. mitgeteilt, und Abweichendes kann auch nicht der Schilderung der Zeugin D. entnommen werden.

Gleichwohl konnte sich unter diesen Umständen nur dann eine rechtliche Verpflichtung der Beklagten ergeben, wenn der Kläger selbst mit der Montage von Gittern einverstanden war. Denn es handelte sich um eine freiheitseinschränkende Maßnahme, die nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden durfte. Dass diese Zustimmung erteilt worden wäre, lässt sich indessen nicht feststellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gibt es im Gegenteil gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger ablehnend geäußert hat.

Die Zeugin D. h...

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