Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermeintliche Pflichtteilsansprüche eines nichtehelichen Kindes als Geschäftsgrundlage eines Erbschaftsvergleichs zwischen dem Alleinerben und einem tatsächlich Pflichtteilsberechtigten
Leitsatz (amtlich)
Macht die Tochter aus der ersten Ehe des Erblassers gegen dessen zweite Ehefrau und Alleinerbin den Pflichtteil geltend, was letztlich zu einem Abfindungsvergleich führt, ist dessen Wirksamkeit nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein vermeintlicher nichtehelicher Abkömmling des Erblassers später mit seinem Pflichtteilsverlangen gegen die Alleinerbin scheitert, weil er seine Abstammung nicht nachweisen kann.
Normenkette
BGB §§ 119, 157, 242, 313, 779, 1589, 1594, 1600d, 2303
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 12.01.2007; Aktenzeichen 5 O 457/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Koblenz vom 12.1.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in entsprechender Höhe stellt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist die Tochter des Dr. August S., der 2004 verstarb. Sie ist aus dessen erster Ehe hervorgegangen. Nach seiner Verwitwung war Dr. August S. über 48 Jahre hinweg bis zu seinem Tod mit der Beklagten verheiratet.
1984 errichteten Dr. August S. und die Beklagte ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich beide wechselseitig als Alleinerben einsetzten. Die Klägerin wurde neben einer Nichte und einem Neffen der Beklagten - unter dem Vorbehalt der Abstandnahme von Forderungen bei einem Vorversterben Dr. August S.' - zu ½ zur Schlusserbin bestimmt.
Nach Dr. August S's Tod machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Pflichtteilsansprüche geltend. Sie erhob dieserhalb eine Auskunftsklage, durch die sie den Nachlasswert und den Umfang lebzeitiger Zuwendungen Dr. August S's an die Beklagte zu ergründen suchte, und knüpfte daran eine zunächst noch unbestimmte Zahlungsforderung. Der Prozess endete 2005 mit einem Vergleich. Danach zahlte die Beklagte an die Klägerin 25.000 EUR "zum Ausgleich sämtlicher wechselseitiger Ansprüche, seien sie eingeklagt oder nicht, bekannt oder nicht, vorhersehbar oder nicht". Zuvor hatte das Gericht unter Einschluss pflichtteilsergänzungsfähiger Verfügungen einen Nachlasswert in der Größenordnung von 200.000 EUR in den Raum gestellt.
In der vorprozessualen Auseinandersetzung war der Beklagten von den Anwälten der Klägerin schriftlich mitgeteilt worden "dass auch der Halbbruder unserer Mandantin pflichtteilsberechtigt ist". In einem weiteren Schreiben hieß es, die Klägerin "meint zu wissen, dass sie noch einen Halbbruder habe". Im Verlauf des Rechtsstreits trug die Klägerin dann vor, die Beklagte möge "sich besinnen, ob und wenn ja der Erblasser noch ein weiteres Kind hatte, denn die Klägerin hörte dies nur gerüchteweise". Darauf erwiderte die Beklagte: "Die Klägerin mag... sich besinnen, ob sie noch einen Halbbruder hat... Die Beklagte hatte das Nachlassgericht über den Halbbruder informiert."
Bei dem von den Parteien angesprochenen Halbbruder handelte es sich um den 1945 geborenen Klaus G.. Dieser machte nach dem Vergleichsschluss der Parteien seinerseits gegenüber der Beklagten einen Pflichtteilsanspruch i.H.v. 25.000 EUR geltend. Damit scheiterte er jedoch, weil er seine Abstammung nicht nachweisen konnte.
Im Hinblick darauf verlangt die Klägerin von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit die Zahlung weiterer 25.000 EUR nebst Zinsen und erneuert hilfsweise das im Vorprozess verfolgte Auskunftsbegehren. Ihrer Ansicht nach kann der 2005 geschlossene gerichtliche Vergleich keinen Bestand haben, weil er an einer Pflichtteilsberechtigung nicht nur ihrer Person, sondern auch Klaus G.'s angeknüpft habe. Da dieser seine Rechte nicht verwirklichen könne, sei die Beklagte jetzt unrechtmäßig begünstigt, so dass der Vergleich wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage angepasst werden müsse.
Dem ist das LG gefolgt und hat die Beklagte dem Hauptantrag gemäß - bis auf einen Teil der erhobenen Zinsforderung - zur Zahlung verurteilt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die die Abweisung der Klage und hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits in die erste Instanz erstrebt. Demgegenüber verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil.
II. Das Rechtsmittel der Beklagten führt zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Abweisung der Klage. Der Klägerin stehen aus dem Pflichtteilsrecht nach dem Tod ihres Vaters Dr. August S. jenseits des 2005 geschlossenen Prozessvergleichs keine Ansprüche mehr gegen die Beklagte zu.
1. Der Vergleich schließt jegliche Nachforderung aus. Er stellt seinem klaren Wortlaut eine Abfindungsregelung dar, die nicht nur die seinerzeit erkennbaren, sondern ausdrücklich sämtliche und dabei auch all...