Leitsatz (amtlich)
Ein Gespräch der Kaufvertragsparteien im Zuge der Vertragsanbahnung über die steuerliche Einordnung eines Fahrzeuges (hier: Pickup) als Pkw oder Lkw begründet nicht ohne weiteres eine Beschaffenheitsvereinbarung. Sie ist jedoch anzunehmen, wenn der Kaufinteressent angesichts divergierender Angaben zu der zulassungs- und steuerrechtlichen Einordnung in den ihm überlassenen schriftlichen Unterlagen die steuerliche Einordnung beim Verkäufer - auf den das Fahrzeug zuvor als Vorführwagen zugelassen war - erfragt und dieser erklärt, das Fahrzeug werden als Lkw besteuert in Höhe von ca. 172 - 176 EUR.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 07.01.2016; Aktenzeichen 10 O 347/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 7.1.2016 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.225,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.09.2014 Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs SsangYong, Typ Actyon, Fahrgestell-Nr. KB.62 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 22.09.2014 in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2014 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 94 % und die Klägerin 6 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug.
Am 17.05.2014 bestellte die Klägerin bei der Beklagten das streitgegenständliche Vorführfahrzeug der Marke SsangYong, Typ Actyon, Farbe ACM Marbele Gray, Fahrgestell-Nr. KB.62 mit einem Kilometerstand von 741 km; dabei war das Fahrzeug mit "PKW Pickup" angegeben (Bl. 11 GA). Die Erstzulassung des Fahrzeugs war am 20.11.2013 erfolgt. Im Preis enthalten waren eine Navigation mit Kamera und ein Hardtop Roadranger. Das Fahrzeug wurde am 06.06.2014 abgeholt, die hierbei erstellte Rechnung (Bl. 12 GA) weist einen Kaufpreis von 26.875,50 EUR brutto aus.
In der Zulassungsbescheinigung ist das Fahrzeug als LKW eingestuft, der Prospekt über das Auto weist eine Zulassung als LKW aus. Die Kraftfahrzeugversicherung der Klägerin erkennt den Pickup nur als LKW an. Steuerlich wurde das Fahrzeug jedoch nach der Zulassung auf die Klägerin als PKW eingestuft; die Kraftfahrzeugsteuer wurde auf jährlich 394 EUR festgesetzt (Bl. 73 - 77 GA).
Für eine steuerliche Einstufung des Fahrzeugs als LKW müssten hinter dem Fahrersitz die Sitzbank einschließlich der Anschnallgurte entfernt, hinter der ersten Sitzreihe eine Gitterabtrennung eingezogen, Verschraubungen unbrauchbar gemacht und die Scheiben an der B-Säule stark abgetönt werden. Ein Umbau des Fahrzeugraumes ist von der Klägerin jedoch nicht gewollt.
Zwischen den Parteien ist das Vorliegen verschiedener Mängel des Fahrzeugs streitig.
Mit Schreiben vom 18.09.2014 (Bl. 13 - 18 GA) erklärte die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigte wegen verschiedener Mängel, u.a. auch wegen der steuerrechtlichen Einstufung des streitgegenständlichen Fahrzeuges, den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, den Kaufpreis zurück zu erstatten, Zug um Zug gegen Abholung des Fahrzeuges unter Fristsetzung bis zum 25.09.2014.
Die Beklagte widersprach der Rücktrittserklärung und der Vertragsrückabwicklung mit Schreiben vom 19.09.2014.
Die Klägerin meldete das Fahrzeug zunächst am 26.10.2014 ab, in der Folgezeit jedoch zeitweise jedoch wieder an. Bis zum 31.08.2016 legte sie mit dem Pickup 15.000 km zurück. Sie begehrt weiterhin die Rückabwicklung des Kaufvertrages.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Inhaber der Beklagten habe auf mehrmaliges Nachfragen beteuert, dass der Pickup auf jeden Fall ein LKW sei und als solcher auch besteuert werde. Es sei seitens der Beklagten erklärt worden, dass das streitgegenständliche Fahrzeug als LKW besteuert werde mit einer jährlichen Kraftfahrzeugsteuer von 172 - 176 EUR. Die Klägerin habe Wert auf einen LKW gelegt und das Fahrzeug nur deshalb gekauft, weil es ein LKW sei.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 26.875,50 EUR nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 23.09.2014 Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs SsangYong, Typ Actyon, Fahrgestell-Nr. KB.62 zu zahlen,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 22.09.2014 in Annahmeverzug befindet,
3. die Beklagte zu verurteilen, Schadensersatz aus vorgerichtlicher Anwaltsbeauftragun...