Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahnarzthaftung in einem anderweitig begonnenen und wiederum von einem anderen Kollegen abgeschlossenen Behandlungsfall
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Zahnarzt hat Aufwendungen des Patienten für die Mängelabhilfe durch einen Nachbehandler nur zu erstatten, wenn er durch ein vertragswidriges Verhalten die Vertragskündigung des Patienten veranlasst hat. Gegebenenfalls ist der Schadensersatzanspruch des Patienten auf die Mehrkosten beschränkt, um die das Honorar des Nachbehandlers für die zahnmedizinisch notwendige Versorgung den fiktiven Vergütungsanspruch des Erstbehandlers bei Fortführung des Vertrages mit entsprechenden zahnmedizinischen Leistungen übersteigt. In der Regel fehlt es daher an einem Schaden.
2. Mangels Nacherfüllungspflicht schuldet der Zahnarzt auch keinen Vorschuss für die Kosten, die dem Patienten durch die Weiterbehandlung bei einem anderen Zahnarzt voraussichtlich entstehen.
3. Zur Zulässigkeit eines Feststellungsantrages und zur Schmerzensgeldbemessung in einem komplexen Behandlungsfall mit einer weithin von der Patientin zu verantwortenden außerordentlich langen Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens (hier: 14 Jahre - Schmerzensgeldhöhe: 10.000 EUR).
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 280-281, 611, 633-634, 626-628, 823
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 07.03.2012; Aktenzeichen 1 O 153/98) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Mainz vom 7.3.2012 - 1 O 153/98, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 35.783,42 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie die Feststellung der künftigen Schadensersatzverpflichtung wegen einer behaupteten fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung.
Die Klägerin erschien am 17.4.1991 erstmals in der Praxis des Beklagten mit 15 von einem vorbehandelnden Zahnarzt von August 1990 bis März 1991 beschliffenen Zähnen im Ober- und Unterkiefer. Die Behandlung hatte sie vor der Eingliederung einer teleskopierenden Oberkieferbrücke und weiteren Kronen und Brücken im Unterkiefer abgebrochen. Die vom vorbehandelnden Arzt gegen die Klägerin erhobene Vergütungsklage wurde rechtskräftig mit Urteil des OLG Koblenz vom 12.7.1995 (7 U 524/93) abgewiesen, weil er den ihm obliegenden Beweis primärer Passgenauigkeit und Eingliederungsfähigkeit der von ihm erstellten Prothesen nicht geführt und die Beweisbarkeit durch widersprüchliche Angaben gegenüber dem Gericht und dem Sachverständigen vereitelt hatte.
Nach der Übernahme der zahnärztlichen Behandlung durch den Beklagten im April 1991 nahm die Klägerin bei ihm bis zum Mai 1994 insgesamt 91 Behandlungs- und Konsultationstermine wahr, wobei bis zum 12.10.1992 lediglich neue Langzeitprovisorien nach Stützstiftregistrierung am 2.7.1991 angefertigt und mehrmals provisorisch wieder befestigt wurden. Die Planung des definitiven Zahnersatzes erfolgte am 2.11.1992. Am 11.11.1992 wurden die Oberkieferzähne (11, 12, 16, 17, 21 bis 24, 26, 27) nachpräpariert, am 12.11.1992 die Unterkieferzähne (44, 45, 46, 34, 35, 36 und 37). Die Abformung für den Ober- und Unterkieferzahnersatz erfolgte am 13.11.1992; die Anprobe der Primärkronen am 19.11.1992. Am 23.11.1992 wurde die Kieferrelation mit Stützstift bestimmt. Zwischen dem 26.11. und 11.12.1992 wurden ästhetische Korrekturen an der Oberkieferarbeit durchgeführt. Der vom Beklagten für den Ober- und Unterkiefer angefertigte Zahnersatz wurde am 15.12.1992 zum Probetragen eingegliedert. Wegen der von der Klägerin geschilderten Probleme mit dem provisorisch eingegliederten Zahnersatz wurden in der Zeit bis zum 26.5.1994 fünf Remontagen durchgeführt und der Zahnersatz aufgrund von Spannungsschmerzen getrennt. Im Mai 1994 brach die Klägerin die Behandlung beim Beklagten ab, bevor es zur definitiven Eingliederung des Zahnersatzes kam. In der Folgezeit war die Klägerin bei diversen Zahnärzten in Behandlungen, die sich zumindest noch bis September 2007 hinzogen.
Die Klägerin hält die zahnärztlichen Leistungen des Beklagten für mangelhaft und nach 67 Nachbesserungsterminen auch nicht mehr für nachbesserungsfähig. Ihr seien durch die Neubehandlungen, die aufgrund der Fehlbehandlung durch den Beklagten notwendig gewesen seien, bislang Kosten i.H.v. insgesamt 50.193,42 EUR entstanden. Aufgrund ihres erheblichen Leidensweges sei ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000 EUR angemessen.
Nach einer teilweisen Klageerhöhung hat die Klägerin erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 50.193,42 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % aus 8.180,67 EUR (16.000,- DM) seit Klageerhebung, aus 21.641,94 EUR (42.327,95 DM) seit...