Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Anschlussberufung in Unterhaltssachen
Leitsatz (redaktionell)
§ 524 Abs. 2 S. 3 ZPO ist nicht einschränkend auszulegen. Daher kann die nach Ablauf der Frist zur Berufungserwiderung eingelegte Anschlussberufung, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, auch auf vor Schluss der letzten Verhandlung erster Instanz eingetretene Tatsachen gestützt werden. Die Voraussetzungen einer Abänderungsklage müssen nicht vorliegen.
Normenkette
ZPO § 524 Abs. 2 Sätze 2-3
Verfahrensgang
AG Daun (Urteil vom 27.10.2006; Aktenzeichen 2 F 393/05) |
Tenor
Das Versäumnisurteil des Senats vom 28.2.2007 wird teilweise aufrechterhalten und das angefochtene Urteil des AG - FamG - Daun vom 27.10.2006 auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt: ...
Gründe
I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Durch Urteil des Senats vom 16.10.2002 - 9 UF 140/02 - wurde der Beklagte verurteilt, der Klägerin monatlich einen Elementarunterhalt i.H.v. 425 EUR, Krankenvorsorgeunterhalt von 112 EUR und Altersvorsorgeunterhalt von 125 EUR zu zahlen. Auf die Abänderungsklage der Klägerin hat das FamG den Beklagten unter Abänderung des vorgenannten Urteils des Senats verurteilt, an die Klägerin ab dem 1.6.2005 einen Elementarunterhalt (wobei dieser durch einen offensichtlichen Diktatfehler als Altersvorsorgeunterhalt bezeichnet wurde) i.H.v. monatlich 508 EUR und Krankenvorsorgeunterhalt i.H.v. 126,90 EUR zu zahlen. Die weiter gehende Klage wurde abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung, die Abänderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage, soweit höherer Krankenvorsorgeunterhalt als 112 EUR und höherer Altersvorsorgeunterhalt als 135 EUR zuerkannt wurde, sowie die Abänderung des Titels dahingehend, dass die Klägerin ab dem 1.1.2007 überhaupt keinen Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Ehegattenunterhalt mehr hat.
II. Die Berufung der Klägerin ist weitgehend begründet, während die Anschlussberufung des Beklagten lediglich begründet ist, soweit das FamG das Urteil des Senats vom 16.10.2002 bereits für die Zeit vom 1.6.2005-2.10.2005 abgeändert hat. Seine weiter gehende Anschlussberufung ist unbegründet.
1. Der Antrag des Beklagten ist, soweit nicht lediglich beantragt wurde, die Berufung zurückzuweisen, als Anschlussberufung auszulegen. Diese ist zulässig. Insbesondere gilt die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO hier nicht, weil die Anschließung eine Verurteilung zukünftig fällig werdender wiederkehrender Leistungen zum Gegenstand hat (§ 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Die Frage, ob die Monatsfrist nach § 524 Abs. 2 ZPO für alle Fälle der Verurteilung zukünftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen gilt oder nur für solche Sachverhalte, die unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO in das Verfahren eingeführt werden können, ist allerdings streitig (für eine einschränkende Auslegung: Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 524 Rz. 11; Born, NJW 2005, 3038 [3040] m.w.N.; vgl. auch OLG Zweibrücken FamRZ 2004, 554 für die Rechtslage nach dem ZPO-RG; nicht einschränkend: Klinkhammer, FF 2006, 95, 97; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 524 Rz. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 524 Rz. 13). Unter Zugrundelegung der einschränkenden Auffassung wäre hier die Anschlussberufung des Beklagten zulässig, soweit er die Abänderung des Unterhaltstitels ab dem 1.1.2007 mit der Begründung anstrebt, durch seine Versetzung in den Ruhestand habe sich sein Einkommen ab dem 1.1.2007 verringert. Sie wäre unzulässig, soweit er das Urteil des Senats vom 16.10.2002 ggü. der abändernden Entscheidung des FamG verteidigt, weil er sich insoweit nicht auf neue, nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetretene, Tatsachen stützt (§ 323 Abs. 2 ZPO).
Die Befürworter einer einschränkenden Auslegung des § 524 Abs. 3 ZPO verweisen darauf, dass durch die Verweisung auf § 323 ZPO Voraussetzung der Zulässigkeit einer Anschlussberufung nach Fristablauf sei, dass wie bei einer Abänderungsklage eine wesentliche Änderung der im angefochtenen Urteil maßgeblichen Verhältnisse eingetreten sei. Die Vorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO spreche für das einschränkende Gesetzesverständnis (Born a.a.O.). Schließlich verbiete die gesetzgeberisch gewollte Verfahrensbeschleunigung, dem Anschlussberufungskläger noch nach Ablauf der Monatsfrist die Einführung von "alten Tatsachen" zu gestatten.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist nicht einschränkend auszulegen. Der Wortlaut der Vorschrift legt eine derartige Auslegung nicht nahe. Die Nennung des § 323 ZPO ist keine Verweisung, sondern lediglich der Hinweis darauf, dass der Begriff "künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen" ebenso verstanden werden muss wie in § 323 ZPO.
Richtig ist zwar, dass durch die Vorschrift Abänderungsklagen vermieden werden sollen, und in der Tat könnte eine Abän...