Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltszwang im selbständigen Beweisverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Im selbständigen Beweisverfahren besteht für den Streitverkündeten zum Zwecke des Beitritts auch vor den LG kein Anwaltszwang.

 

Normenkette

ZPO § § 567 ff., § 78 Abs. 1, 3, § 486 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 06.11.2011; Aktenzeichen 86 OH 2/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Streitverkündeten wird der Beschluss der Vorsitzenden der 6. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 6.11.2011 - 86 OH 2/11 - abgeändert und festgestellt, dass die Streitverkündete dem Verfahren auf Seiten der Antragsgegnerin mit Wirkung zum 20.10.2011 wirksam beigetreten ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin betreibt gegen die Antragsgegnerin das selbständige Beweisverfahren mit dem Zweck der Feststellung von Planungs- oder Ausführungsmängeln im Zuge der Errichtung eines Fabrikgebäudes auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück T-Allee in XXXXX L. durch Einholung schriftlicher Gutachten aus abgetretenem Recht der BM GmbH, die sich gegenüber der Antragstellerin zur Übernahme der schlüsselfertigen Erstellung dieses Bauvorhabens verpflichtete und sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung der Antragsgegnerin nach Maßgabe eines Generalunternehmervertrages vom 24./25.11.2003 bediente. Die Antragsgegnerin wiederum beauftragte die Streitverkündete u.a. mit Erd- und Entwässerungskanalarbeiten sowie Arbeiten bezüglich der Außenanlagen für dieses Bauvorhaben. Einzelne näher bezeichnete Beweisfragen betreffen auch die Ordnungsgemäßheit der von der Streitverkündeten erbrachten Gewerke.

Mit Schriftsatz vom 28.9.2011 hat die Antragsgegnerin u.a. der Streitverkündeten den Streit verbunden mit der Aufforderung verkündet, dem Verfahren auf ihrer Seite beizutreten. Dieser Schriftsatz ist der Streitverkündeten am 7.10.2011 zugestellt worden. Mit dem bei dem LG Köln unter dem 20.10.2011 eingegangenen Schriftsatz vom 19.10.2011 hat die Streitverkündete erklärt, sie trete dem Verfahren auf Seiten der Antragsgegnerin bei.

Das LG hat den Beitritt der Streitverkündeten mit dem im Tenor näher bezeichneten, der Streitverkündeten am 18.11.2011 zugestellten Beschluss mit der Begründung zurückgewiesen, der Beitritt als bestimmender Schriftsatz unterliege bei dem LG dem Anwaltszwang und die Zubilligung einer Ausnahme hiervon in entsprechender Anwendung der §§ 78 Abs. 3, 486 ZPO scheide nach allgemeiner Auffassung aus.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 2.12.2011 bei dem OLG eingegangene sofortige Beschwerde der nunmehr anwaltlich vertretenen Streitverkündeten vom selben Tag mit dem Antrag, diesen Beschluss aufzuheben und ihren Beitritt für wirksam zu erklären.

Sie vertritt die Auffassung, es sei allgemein anerkannt, dass die Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren vor dem LG im Allgemeinen nicht dem Anwaltszwang unterliege, und meint, dies müsse auch für den Beitritt gelten. Seine gegenteilige Auffassung stütze das LG, soweit dieses eine Entscheidung des OLG Koblenz aus dem Jahr 2007 anführe, auf eine Mindermeinung. Der überwiegende Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung dehne die Anwendung des § 486 Abs. 4 ZPO auch auf andere Prozesshandlungen als die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens aus, und zwar nicht nur auf solche des Antragstellers, sondern auf solche der Antragsgegnerin und schließlich zum Teil explizit auch auf den Streitbeitritt. Sie macht sich die Begründungen der ihrer Meinung entsprechenden Entscheidungen anderer OLG sinngemäß zu Eigen.

Das LG hat dem Rechtsmittel mit der weiteren Begründung nicht abgeholfen, der Beitritt sei auch nicht etwa deswegen wirksam, weil die Streitverkündete im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten werde, da sich die Beschwerdeschrift ausschließlich zur Wirksamkeit des mit Schreiben vom 19.10.2011 erklärten Beitritts verhalte, und hat die Sache dem OLG Köln zur Entscheidung vorgelegt.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Streitverkündeten hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beitrittserklärung der Streitverkündeten vom 19.10.2011 ist mit ihrem Eingang bei dem LG am 20.10.2011 am 20.10.2011 wirksam geworden (vgl. etwa: Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 70 Rz. 1; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 70 Rz. 1). Sie enthält die nach § 70 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 - 3 ZPO notwendigen Angaben. Sie ist nicht deswegen unwirksam, weil sie nicht von einem Rechtsanwalt stammt. Denn sie unterliegt nicht dem Anwaltszwang.

Richtig ist allerdings der von dem LG angeführte rechtliche Ausgangspunkt, dass sich die Parteien gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor den LG und OLG grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, Abs. 3 dieser Bestimmung hiervon eine Ausnahme u.a. für Prozesshandlungen vorsieht, die v...

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