Entscheidungsstichwort (Thema)

Risikoaufklärung bei Vorkenntnissen des Patienten; hypothetische Einwilligung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob ein Patient im Hinblick auf die Risiken eines Eingriffs aufgrund der zu einem entsprechenden Voreingriff erfolgten ordnungsgemäßen Aufklärung keiner weiteren Risikoaufklärung mehr bedarf, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles, nicht allein danach, ob der Voreingriff innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorgenommen wurde.

2. Der Einwand der hypothetischen Einwilligung kann auch konkludent erhoben werden.

3. Ein Entscheidungskonflikt ist regelmäßig nicht plausibel, wenn der Patient bei vergleichbarer Ausgangslage in Kenntnis aller Risiken einem entsprechenden Voreingriff zugestimmt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 253, 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 16.11.2011; Aktenzeichen 11 O 225/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.11.2011 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Aachen - 9 O 225/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

 

Gründe

I. Der am x. x. 1953 geborene Kläger leidet an einer peripheren Verschlusskrankheit. Am 11.10.2006 wurde im Krankenhaus der Beklagten zu 1) eine intraarterielle Angiografie der Beckengefäße mit Anlage eines Stents in der A. iliaca externa durchgeführt. Am 5.2.2007 erfolgte eine weitere intraarterielle Angiografie. Nachdem sich der Kläger mit Gesäß- und Beinschmerzen wieder im Krankenhaus der Beklagten zu 1) vorgestellt hatte und eine Abklärung mittels MRT und CT-Angiografie vorgenommen worden war, führte der Zeuge C. am 6.5.2008 eine weitere intraarterielle Angiografie der Beckengefäße durch und brachte einen Stent in die A. iliaca communis ein. Am 9./10.5.2008 kam es zu einem Gefäßverschluss. Der Kläger wurde als Notfall im Krankenhaus der Beklagten zu 1) aufgenommen und in das Universitätsklinikum B2 verlegt, wo am 16.5.2008 ein aorto-iliacaler Bypass gelegt wurde. In der Folgezeit kam es zu einer Wundheilungsstörung, die mehrere Revisionsoperationen und eine Wundbehandlung mittels Vakuum-Versiegelung erforderlich machte. Erst am 11.2.2009 konnte die Restwunde durch eine Sekundärnaht verschlossen werden.

Der Kläger hat die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld, Feststellung der Ersatzpflicht und Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch genommen. Er hat seine Klage auf Behandlungsfehler der Beklagten gestützt und vor allem geltend gemacht, dass mit ihm lediglich eine intraarterielle Angiografie als diagnostischer Eingriff ohne Stent-Anlage abgesprochen gewesen sei. Über die Risiken der Behandlung sei er nicht aufgeklärt worden. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das LG hat das Gutachten von B. vom 28.12.2010 (Bl. 130 d.A.) eingeholt und den Sachverständigen angehört (Bl. 181 ff. d.A.). Ferner hat es Beweis erhoben zum Inhalt der Aufklärung durch Anhörung des Klägers und Vernehmung von Zeugen (Bl. 179 ff. d.A.).

Daraufhin hat es die Klage abgewiesen. Behandlungsfehler seien nicht festzustellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei mit dem Kläger eine Angiografie mit eventueller Stenteinbringung abgesprochen und vereinbart gewesen. Die Risiken des Eingriffs seien dem Kläger bekannt gewesen, so dass es nicht auf Mängel der Aufklärung ankomme.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er wendet sich gegen die Beweiswürdigung des LG und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

II. Die Berufung des Klägers war gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Hierzu wird auf den Senatsbeschluss vom 30.4.2012 verwiesen. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist. Die Stellungnahme des Klägers vom 29.5.2012 rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Feststellung des LG, dass mit dem Kläger eine Angiografie und abhängig vom endgültigen Befund eine Aufdehnung der Stenose und Stenteinbringung während des gleichen Eingriffs besprochen und vereinbart war, ist überzeugend. Der Senat hat auf S. 3 des Beschlusses vom 30.4.2012 im Einzelnen dargelegt, warum das LG trotz fehlender konkreter Erinnerung des Zeugen E. aus der von diesem geschilderten üblichen Praxis auf eine gleichartige Vorgehensweise im Streitfall schließen durfte. Mit den genannten Gesichtspunkten und...

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