Entscheidungsstichwort (Thema)
Abänderung einer Jugendamtsurkunde für die Vergangenheit
Leitsatz (amtlich)
Unter den Voraussetzungen des § 239 FamFG kann der Antragsteller grundsätzlich auch schon für die Zeit vor Anhängigmachung des Abänderungsverfahrens eine Abänderung der mit Jugendamtsurkunde titulierten Unterhaltsverpflichtung verlangen. Dies gilt auch dann, wenn nach Erstellen der Jugendamtsurkunde zwischenzeitlich ein Abänderungsverfahren von dem Antragsteller betrieben worden war, in dem aber nur für eine begrenzte Zeit eine Abänderung der Jugendamtsurkunde ausgesprochen wurde und sodann die Beteiligten, nachdem der Antragsteller wieder Arbeit gefunden hatte, das Abänderungsverfahren für die Zeit danach übereinstimmend erklärt haben, so dass es bei der Verpflichtung zur Unterhaltszahlung aus der Jugendamtsurkunde verblieb.
Normenkette
FamFG § 239
Verfahrensgang
AG Brühl (Beschluss vom 31.01.2012; Aktenzeichen 33 F 265/11) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Brühl vom 31.1.2012 - 33 F 265/11 - teilweise unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen dahin abgeändert, dass der Antragsteller verpflichtet ist, in Abänderung der Jugendamtsurkunde der Stadt L - UR-Register-Nr. xxx/xxx/2000 - vom 4.12.2000 an die Antragsgegnerin ab Juli 2010 monatlichen Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen:
a) von Juli 2010 bis einschließlich Januar 2011 334 EUR
b) von Februar 2011 bis April 2011 260 EUR,
c) für Mai und Juni 2011 235 EUR,
d) von Juli 2011 bis November 2011 312 EUR und
e) ab Dezember 2011 204 EUR.
2. a) Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
b) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 9/10 und die Antragsgegnerin zu 1/10.
3. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Gründe
Die zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Der Antragsgegnerin steht der gemäß obigem Beschlusstenor festgestellte Unterhaltsanspruch gegen den Antragsteller zu, so dass sein Abänderungsbegehren in diesem Umfang unbegründet ist.
Entsprechend dem Hinweis- und VKH-Beschluss des Senats vom 4.6.2012 (Blatt 186 - 195 GA), auf den nur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wegen der Einzelheiten verwiesen wird, kann die Antragsgegnerin gem. §§ 1601, 1602, 1603, 1610 BGB ab Juli 2010 in Abänderung der Jugendamtsurkunde der Stadt L - UR-Register-Nr. xxx/xxx/2000 - vom 4.12.2000 nur noch Zahlung monatlichen Unterhalts von Juli 2010 bis einschließlich Januar 2011 von EUR 334 EUR, von Februar 2011 bis April 2011 von 260 EUR, für Mai und Juni 2011 von 235 EUR, von Juli 2011 bis November 2011 von 312 EUR und ab Dezember 2011 von 204 EUR verlangen. Nur in diesem Umfang ist das Abänderungsbegehren des Antragstellers begründet, die weiter gehenden Beschwerdeanträge der Antragsgegnerin sind dagegen für die Zeit von Juli 2010 bis einschließlich Januar 2011 und ab Dezember 2011 unbegründet.
Dabei ist auch nach dem ergänzenden Vortrag des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 28.6.2012 (Blatt 199 ff. GA) davon auszugehen, dass der Antragsteller grundsätzlich auch für die Vergangenheit eine Abänderung der mit Jugendamtsurkunde titulierten Unterhaltsverpflichtung auch schon für die Zeit vor der Anhängigmachung des Abänderungsverfahrens nach § 238, 239 FamFG verlangen kann, auch wenn bereits in den Jahren 2007/2008 vor dem Familiengericht Brühl zu Az. 33 F 181/07 ein Abänderungsverfahren des Antragstellers durchgeführt worden ist. Entscheidend ist nämlich, dass diesem Abänderungsverfahren nicht die Sperrwirkung des § 238 Abs. 2 FamFG zukommt, da die Parteien des vormaligen Abänderungsverfahrens für die Zeit ab Oktober 2007 übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, nachdem der Antragsteller wieder eine Anstellung gefunden hatte und es daher bei der Titulierung aus der Jugendamtsurkunde verbleiben sollte. Die Abänderungsklage war lediglich für die Zeit der Arbeitslosigkeit von August 2006 bis September 2007 teilweise erfolgreich. Damit liegt kein abänderndes Urteil hinsichtlich des Zeitraums ab Oktober 2007 vor. Das Familiengericht hatte seinerseits keine neue Prognoseentscheidung für die Zeit ab Oktober 2007 getroffen. Es blieb bei der einseitigen Unterwerfung des Antragstellers gemäß der vorgenannten Jugendamtsurkunde. Bei Unterhaltsverpflichtungen, die durch Jugendamtsurkunden tituliert sind, kommt es auch nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 238 Abs. 3 FamFG vorliegen. Maßgebend sind vielmehr die Regeln des materiellen Rechts. Es ist zu entscheiden, ob in den Verhältnissen, die Grundlage der Titulierung in der Jugendamtsurkunde geworden waren, derart gewichtige Änderungen eingetreten sind, dass nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ein unverändertes Festhalten an den titulierten Leistungen gegen Treu und Glauben verstoßen würde, und daher dem Schuldner nicht zumutbar wäre (vgl. BGH NJW-R...