Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Bürgschaftsverbindlichkeiten bei der Berechnung des Nachlasswertes
Leitsatz (amtlich)
Bürgschaftsverbindlichkeiten sind bei der Berechnung des Nachlasswertes i.S.d. § 2311 Abs. 1 BGB so lange außer Betracht zu lassen, so lange offen ist, ob und in welcher Höhe der Bürge überhaupt in Anspruch genommen wird.
Normenkette
BGB §§ 1922, 1967, 2056, 2301, 2311, 2313, 2316
Verfahrensgang
LG Bonn (Beschluss vom 26.08.2003; Aktenzeichen 3 O 283/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Bonn vom 26.8.2003 – 3 0 283/03 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
I. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. aus Siegburg für folgende Klageanträge bewilligt:
1. die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Antragsteller 12.659,40 Euro nebst 5 % über dem Basiszinssatz liegender Zinsen ab dem 15.6.2003 zu zahlen,
2. im Wege der Stufenklage die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verurteilen,
a) dem Antragsteller Auskunft über den Nachlass nach dem am 18.8.2002 verstorbenen Herrn P. L., früher wohnhaft gewesen M.-F.-Straße …, … B., durch Vorlage eines vollständigen, durch einen Notar aufgenommenen Nachlassverzeichnisses zu erteilen,
b) zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angegeben haben, als sie dazu imstande sind.
II. Die Höhe der von dem Antragsteller ab dem 1.10.2003 an die Landeskasse zu leistenden monatlichen Raten wird auf 30 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller möchte die Antragsgegner mit der beabsichtigten Klage u.a. auf Zahlung eines Pflichtteils i.H.v. 12.659,40 Euro nebst Zinsen in Anspruch nehmen. Seinem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das LG in Höhe eines Betrages von 10.200,76 Euro und im Hinblick auf die übrigen Klageanträge stattgegeben. Hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Zahlungsanspruchs hat das LG die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung verneint und den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Der Nachlass belaufe sich unter Berücksichtigung der von dem Erblasser übernommenen Bürgschaft i.H.v. 71.580 Euro auf 81.606,05 Euro. Hiervon könne der Antragsteller 1/8, also 10.200,76 Euro beanspruchen. Da sich die Haftung aus der Bürgschaft jederzeit realisieren könne, solange die Hauptschuld bestehe, sei es nicht sachgerecht, eine solche Bürgschaftsverpflichtung bei der Bestimmung der Nachlassverbindlichkeiten gem. § 1967 BGB außer Betracht zu lassen. Die Vorschrift des § 2313 BGB sei nicht einschlägig, da diese den Ansatz bedingter, ungewisser oder unsicherer Rechte regele. Sollte eine Inanspruchnahme aus der übernommenen Bürgschaft tatsächlich nicht erfolgen, stehe dem Antragsteller ggü. den Antragsgegnern ein weiterer Ausgleichsanspruch bezogen auf diese Verbindlichkeit zu.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller dagegen, dass das LG bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs die von dem Erblasser übernommene Bürgschaft nachlassmindernd berücksichtigt hat.
II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte, in rechter Frist (§§ 127 Abs. 2 S. 3, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde, der das LG durch Beschluss vom 15.9.2003 nicht abgeholfen und über die gem. § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheiden hat, ist begründet. Das LG hat zu Unrecht die Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) der beabsichtigten Zahlungsklage teilweise verneint.
1. Dem Antragsteller steht dem Grunde nach gegen die Antragsgegner gem. § 2301 Abs. 1 BGB ein Pflichtteilsanspruch zu. Für die Berechnung der Höhe dieses Anspruches kommt es gem. § 2311 Abs. 1 BGB zunächst auf eine zutreffende Berechnung des Nachlasswertes zur Zeit des Erbfalles an, der sich aus der Differenz zwischen den Nachlassaktiva und den Nachlasspassiva ergibt. Die Nachlassaktiva betragen unstreitig 237.755,05 Euro. Dem hat das LG Nachlassverbindlichkeiten i.H.v. insgesamt 156.149 Euro (84.569 Euro unstreitige Nachlassverbindlichkeiten + 71.580 Euro Bürgschaft) ggü. gestellt, so dass sich ein Nachlasswert i.H.v. 81.606,05 Euro errechnet (237.755,05 Euro – 156.149 Euro). Insoweit hat das LG bei der Bestimmung der Nachlassverbindlichkeiten zunächst die von den Antraggegnern zusätzlich behaupteten Schulden bei der LEG (1.431,62 Euro), die Kosten der Entrümpelung (252 Euro) sowie die Kosten der Entsorgung Hausrat (270 Euro) zu Recht außen vor gelassen hat, weil diese Positionen von dem Antragsteller bestritten worden und ggf. im Rahmen einer Beweisaufnahme aufzuklären sind. Das LG hätte jedoch nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch die Bürgschaft des Erblassers in Höhe eines Betrages von 71.580 Euro bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs des Antragstellers nicht als Passiva in die Nachlasswertberechnung miteinbeziehen dürfen. Die Nachlassverbindlichkeiten belaufen sich deshalb nur auf insgesamt 84.569...