Leitsatz (amtlich)

Hätte das unterhaltsberechtigte volljährige Kind im Inland keinen Anspruch auf BAföG, weil die Eltern leistungsfähig sind, ist es unbillig, das Kind zur Finanzierung des laufenden Lebensbedarfs während eines Studiums im Ausland zur eigenen Bedarfsdeckung auf die Inanspruchnahme eines verzinslichen staatlichen Darlehens zu verweisen.

Für einen Anspruch auf Finanzierung der ausländischen Studiengebühren als Mehrbedarf muss der Unterhaltsberechtigte darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass das Auslandsstudium berechtigt ist und die sich daraus ergebenden Mehrkosten dem Unterhaltsverpflichteten nach dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen wirtschaftlich zumutbar sind. Das ist nicht der Fall bei Studiengebühren in Höhe von nahezu 1.000,00 EUR monatlich, einem unterhaltsrelevanten Einkommen in der 8. Stufe der Düsseldorfer Tabelle und - vorrangiger - Unterhaltspflichten für zwei weitere Kinder in Höhe von insgesamt über 1.000,00 EUR monatlich.

 

Normenkette

BGB §§ 1601-1602, 1610 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Aachen (Beschluss vom 22.04.2015; Aktenzeichen 226 F 331/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Aachen vom 22.4.2015 abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin L in F Verfahrenskostenhilfe bewilligt, soweit sie Unterhalt in Höhe von 486,00 Euro monatlich ab Juli 2013 geltend macht.

Die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 127 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

a) Die Beschwerde hat, soweit die Antragstellerin ihren Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zur Geltendmachung laufenden Unterhalts in Höhe von 486,00 Euro beginnend mit Juli 2013 weiterverfolgt, Erfolg. Der von der Antragstellerin in Ansatz gebrachte Bedarf von 670,00 Euro abzüglich des bedarfsdeckenden staatlichen Kindergelds in Höhe von 184,00 Euro Euro monatlich für einen Studenten mit eigenem Hausstand ist nicht zu beanstanden. Es verbleibt ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 486,00 Euro. Nach summarischer Prüfung hat die Antragstellerin in dieser Höhe einen Anspruch auf laufenden Unterhalt ausschließlich gegenüber dem Antragsgegner, ihrem Vater. Zumindest in dem für das Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren erforderlichen Umfang hat die Antragstellerin dargelegt, dass demgegenüber die Kindesmutter nicht leistungsfähig sei, da sie lediglich über Mieteinkünfte verfüge, mit denen sie nach Abzug der Kreditraten nicht den Selbstbehalt wahre.

Die Antragstellerin hat mit der für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe erforderlichen Erfolgsaussicht Umstände vorgetragen, wonach es ihr unter Berücksichtigung der guten Einkommensverhältnisse des Antragsgegners unzumutbar ist, sich zur Finanzierung des ungedeckten Lebensbedarfs während ihrer Hochschulausbildung durch die Aufnahme eines verzinslichen Studiendarlehens zu verschulden (vgl. auch Wendl/Dose/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 1 Rn. 675).

Grundsätzlich gilt, dass einem Studierenden im Inland wegen der günstigen Darlehensbedingungen (zur Hälfte Zuschuss, im Übrigen unverzinsliches Darlehen) die Aufnahme eines BaföG-Darlehens zumutbar ist, weil die Gewährung von BaföG an die Leistungsfähigkeit der Eltern anknüpft und nur bei mangelnder Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Eltern die staatliche Zuwendung gewährt wird.

Entgegen der Auffassung des AG sind vorliegend die Grundsätze zur bedarfsdeckenden Berücksichtigung von BaföG-Leistungen aber nicht anwendbar.

Die Antragstellerin erhält in Großbritannien eine Studienförderung zur Finanzierung ihres Lebensbedarfs in monatlicher Höhe von 400,00 Euro. Die Leistung wird jedoch in voller Höhe als verzinsliches Darlehen gewährt, welches abhängig vom späteren Einkommen zurück zu zahlen ist. Die insoweit darlegungspflichtige Antragstellerin hat in einem für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe ausreichendem Umfang Umstände vorgetragen, wonach es ihr unzumutbar ist, dieses staatliche Darlehen für die Finanzierung des laufenden Lebensbedarfs in Anspruch zu nehmen und sich insoweit zu verschulden. Denn bei einem nicht vom Antragsgegner in Abrede gestellten unterhaltsrelevanten Einkommen in der achten Einkommensstufe nach der Düsseldorfer Tabelle in Höhe von 3901,00 Euro bis 4300,00 Euro monatlich ist er auch unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber den beiden Söhnen U und K in Höhe von 500,00 Euro und 532,00 Euro monatlich grundsätzlich leistungsfähig. Bei einem Studium im Inland würde die Antragstellerin folglich nicht die Voraussetzungen für den Bezug von BaföG erfüllen. Hat aber die Antragstellerin im Inland keinen Anspruch auf BaföG, weil die Eltern leistungsfähig sind, ist es unbillig, sie zur Finanzierung des laufenden Lebensbedarfs ...

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