Leitsatz (amtlich)

Die Verfolgungsverjährung in den Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB beträgt gemäß Art. 9 Abs. 1 S. 2 EGStGB zwei Jahre.

Bei dem gemäß § 335 Abs. 1 HGB mit einem Ordnungsgeld belegten Pflichtenverstoß der nicht rechtzeitigen Offenlegung von Jahresabschlüssen handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt.

Mit einer teilweisen oder mangelhaften Erfüllung der Offenlegungspflicht gemäß § 325 Abs. 1 HGB ist die Handlung nicht im Sinne des Art. 9 Abs. 1 S. 3 EGStGB beendet.

Keine Verwirkung des Ordnungsgeldes aufgrund Zeitablaufs.

 

Normenkette

EGStGB Art. 9; HGB §§ 325, 335

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 32 T 355/23)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Bundesamtes für Justiz vom 11.01.2024 wird der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 10.11.2023 (32 T 355/23) aufgehoben.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 08.06.2023 gegen die Ordnungsgeldentscheidung vom 25.05.2023 (EHUG - 00198933/2021 - 01/02) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgesehen.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 2.500 Euro wegen Nichteinreichung ihrer Jahresabschlussunterlagen für das Geschäftsjahr 2019 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers.

Nachdem die am 13.01.2021 von der Beschwerdeführerin bei dem Betreiber des Bundesanzeigers eingereichten Jahresabschlussunterlagen 2019 die Angabe enthielten "Der Jahresabschluss wurde vor Feststellung offengelegt", drohte der Rechtsbeschwerdeführer mit Verfügung vom 13.08.2021 die Verhängung eines Ordnungsgelds in Höhe von 2.500 Euro wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Pflicht zur Offenlegung der Jahresabschlussunterlagen für das Geschäftsjahr 2019 an. Die Androhung enthielt den Hinweis, dass gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB der offengelegte Jahresabschluss festgestellt oder gebilligt sein müsse.

Mit der streitgegenständlichen Verfügung vom 25.05.2023 setzte der Rechtsbeschwerdeführer das angedrohte Ordnungsgeld fest, nachdem der Betreiber des Bundesanzeigers mitgeteilt hatte, dass bisher nur ein offensichtlich vorläufiger Jahresabschluss offengelegt worden ist.

Mit Schreiben vom 08.06.2023 legte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsanwalt gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes Beschwerde ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass entsprechend der Androhungsverfügung vom 13.08.2021 das Steuerbüro der Beschwerdeführerin am 25.08.2021 die (erneute) Offenlegung im Bundesanzeiger in Auftrag gegeben habe. Nachdem der Bundesanzeiger mitgeteilt habe, dass für die Gesellschaft nunmehr zwei übermittelte Jahresabschlüsse für das Jahr 2019 zur Veröffentlichung vorlägen und der Erstauftrag bereits am 15.01.2021 offengelegt worden sei, habe die zuständige Mitarbeiterin dem Hinweis des Bundesanzeigers folgend am 31.08.2021 den zweiten Offenlegungsantrag zurückgenommen. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch das Steuerbüro seien davon ausgegangen, dass die Offenlegung bereits am 15.01.2021 ordnungsgemäß erfolgt sei. Jedenfalls habe die zuständige Mitarbeiterin des Steuerbüros das Vorbringen des Bundesanzeigers so verstanden.

Im Nachgang zu ihrer Beschwerde reichte die Beschwerdeführerin am 19.06.2023 bei dem Betreiber des Bundesanzeigers zum Jahresabschluss 2019 die Ergänzung ein: "Die Feststellung bzw. Billigung des Jahresabschlusses erfolgte am 24.08.2021."

Der Rechtsbeschwerdeführer legte die Beschwerde mit Nichtabhilfeentscheidung vom 11.09.2023 dem Landgericht Bonn vor.

Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen hat sich die Beschwerdeführerin vor dem Landgericht mit anwaltlichem Schreiben vom 03.11.2023 darauf berufen, dass der Bundesanzeiger angesichts der Doppeleinreichung auf die richtige Einreichung hätte hinwirken müssen. Im Übrigen sei die Ordnungsgeldentscheidung verfristet, da der Rechtsbeschwerdeführer rund zwei Jahre nichts weiter unternommen habe.

Mit Beschluss vom 10.11.2023 hat das Landgericht die Ordnungsgeldentscheidung einschließlich der Zustellungskosten aufgehoben und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Zur Begründung seiner Entscheidung stellt das Landgericht darauf ab, dass die Ordnungsgeldentscheidung vom 25.05.2023 rechtswidrig sei, weil zum Zeitpunkt ihres Erlasses bereits Verfolgungsverjährung gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3 EGStGB eingetreten sei. Die 2-jährige Verjährungsfrist für die Verfolgung von Verstößen gegen die Offenlegungspflicht aus § 325 HGB beginne nicht, solange die Gesellschaft für den betreffenden Offenlegungszeitraum pflichtwidrig untätig bleibe. Ein Untätigbleiben in diesem Sinne liege allerdings nicht vor, wenn die Gesellschaft für den betreffenden Geschäftsjahreszeitraum einen Jahresabschluss eingereicht habe, auch wenn dieser objektiv die Pflicht aus § 325 HGB nicht erfülle. In diesem Fall beginne die Verfolgungsverjährung bereits mit dem objektiv mangelhaften, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch und nicht erst mit einer ordnungsgemäßen Erfüllung. Anderenfalls bestünde faktisch k...

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