Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage der Akten an das Rechtsmittelgericht - Zuständigkeit für Zustellung gerichtlicher Entscheidungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem im Rechtsmittelzug übergeordneten Gericht sind auf dessen Anforderung die Akten durch die Vorinstanz unverzüglich vorzulegen.

2. Die Anordnung und Veranlassung der Zustellung gerichtlicher Entscheidungen ist, auch wenn der Justizverwaltung eine andere Handhabung wünschenswert erscheinen mag, nach dem Gesetz Aufgabe der Geschäftsstelle und nicht Aufgabe des Richters. Übernimmt der Richter gleichwohl diese Aufgabe der Geschäftsstelle und trifft er eine entsprechende Verfügung, dann muss diese Verfügung auch vollständig und richtig sein.

 

Normenkette

ZPO §§ 168, 321a

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 9 O 153/05)

 

Tenor

Die Gehörsrüge der Klägerin vom 5.3.2008 gegen den Senatsbeschluss vom 8.2.2008 wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Klägerin vom 5.3.2008, die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem OLG nicht zu erheben, wird abgelehnt.

 

Gründe

1. Über die Anträge der Eingabe der Klägerin vom 5.3.2008 kann erst jetzt entschieden werden, nachdem das LG die nach dem Erlass des Senatsbeschlusses vom 8.2.2008 an die erste Instanz zurückgesandte Prozessakte dem Senat trotz wiederholter Anforderung erst jetzt - nach rund einem Vierteljahr - wieder zur Verfügung gestellt hat. Nach dem Eingang des Antrages vom 5.3.2008 hat der Senat unter dem 7.3.2008 bei dem LG die Akte wieder angefordert. Daraufhin ist dem Senat von der Geschäftsstelle des LG unter dem 14.3.2008 mitgeteilt worden, bei dem LG sei Termin auf den 9.4.2008 bestimmt, die Akte werde deshalb dort "benötigt". Weitere, nach dem 9.4.2008 an das LG gerichtete schriftliche Aktenanforderungen, nämlich die Anforderungen vom 22.4. und vom 19.5.2008 sind bei dem LG zwar jeweils alsbald nach ihrer Absendung eingegangen, aber unerledigt und unbeantwortet geblieben, sondern lediglich kommentarlos zu den Akten geheftet worden. Erst nach einer weiteren Anforderung vom 27.5.2008 sind die Akten dann dem OLG Anfang Juni 2008 zugeleitet worden, und zwar auch dies offenbar nicht aufgrund der Anforderung des Senats, sondern gemäß der Verfügung des LG vom 28.5.2008 (Bl. 82 R d.A.) zur Bearbeitung einer an das LG adressierten und dort am 2.5.2008 eingegangenen Anfrage der Gerichtskasse durch den Kostenbeamten des OLG. Diese Verfahrensweise des LG ist zu beanstanden. Sie trägt dem Gebot, die Akten dem im Rechtsmittelzug übergeordneten Gericht auf dessen Anforderung alsbald zur Verfügung zu stellen, nicht Rechnung.

Die genannte Verfahrensweise des LG ist um so weniger verständlich, als die Prozessakten dort während des vorstehend bezeichneten Zeitraums von rund einem Vierteljahr ersichtlich nicht ständig zur Bearbeitung benötigt wurden, sondern zeitweise lediglich auf Frist gelegt worden sind. So hat der Einzelrichter des LG nach dem Erlass eines klageabweisenden Versäumnisurteils, welches nach der wohl unzutreffenden Angabe des Tages der Verhandlung im Sitzungsprotokoll des LG (Bl. 68 d.A.) am 23.4.2008, nach dem Verkündungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (Bl. 69 d.A.) und der Bezeichnung des Verhandlungstermins im Versäumnisurteil selbst am 25.4.2008 ergangen ist, am 25.4.2008 die Zustellung des genannten Versäumnisurteils an die Prozessbevollmächtigten der Parteien und sodann eine Wiedervorlagefrist von 3 Wochen verfügt. Innerhalb der zuletzt genannten Frist hätte die Akte auch dem Beschwerdegericht vorgelegt werden können und sollen. Zwar ist die Anordnung und Durchführung der Zustellung - von dem hier nicht gegebenen Fall des § 168 Abs. 2 ZPO abgesehen - nach § 168 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht Aufgabe des Richters, sondern Aufgabe der Geschäftsstelle (vgl. nur Thomas/Putzo/Hüsstege, ZPO, 28. Aufl. 2008, § 168 Rz. 2). Im älteren Schrifttum ist es sogar als "verfehlt" bezeichnet worden, wenn der Richter derartige nicht in seinen Aufgabenbereich fallende Anordnungen trifft (vgl. Schneider, Richterliche Arbeitstechnik, 2. Aufl. 1975, S. 38). An der gesetzlichen Aufgabenverteilung ändert es auch nichts, dass der Justizverwaltung die Übernahme von Aufgaben der Geschäftsstelle durch den Richter erwünscht sein mag und dass sie hierfür entsprechende Computerprogramme entwickelt und den Richtern zur Verfügung gestellt hat. Wenn der Richter jedoch - wie vorliegend geschehen - die ihm nicht obliegenden Aufgaben der Geschäftsstelle übernimmt, dann muss er dies auch richtig und vollständig tun. Er darf die Sache dann auch nicht allein deshalb auf Frist legen, weil das auf den Regelfall zugeschnittenen Programm dies als letzte Ziffer der entsprechenden Verfügung vorsieht, sondern hat - wie dies die Geschäftsstelle bei eigener Bearbeitung der Sache tun müsste - zu prüfen, ob weiteres zu veranlassen ist, so ob sich in den Akten eine unerledigte Anforderung der Rechtsmittelinstanz findet.

2. Mit ihrer Eingabe vom 5.3.2008 rügt die Klägerin, mit dem Beschluss des Senats vom 8.2.2008 sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör ve...

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