Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das Erstgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung (§ 571 ZPO a.F.) auf die Begründung der Beschwerde näher eingehen und dazu Stellung nehmen muss.
2. Die Vereinbarung eines dem ordentlichen Rechtsweg vorgeschalteten Schlichtungsverfahren in einem Architekten-/Ingenieurvertrag schließt die Statthaftigkeit des selbstständigen Beweisverfahrens (§§ 485 ff. ZPO) vor Einleitung des Schlichtungsverfahrens nicht aus.
3. Es ist unzulässig, entgegen §§ 487 Nr. 2, 490 Abs. 2 ZPO in den Antrag auf Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens und in den entsprechenden Beweisbeschluss nicht „Tatsachen”, „über die Beweis erhoben werden soll” bzw. „zu erheben ist”, sondern „Fragen” aufzunehmen, die keinen tatsächlichen Kern enthalten und nicht den Standard der „allgemein anerkannten Regeln der Technik” betreffen, sondern auf eine bloße Ausforschung des Sachverhalts gerichtet sind, sofern und soweit es um die Feststellung von Mängeln i.S.v. § 633 Abs. 1 BGB a.F. geht. In Bezug auf die Tatsachen, die die Istbeschaffenheit der Werkleistung ausmachen, genügt es nach der Symptomtheorie, dass Tatsachen zur äußeren Mangelerscheinung angegeben werden.
4. Bei den weitergehenden „Fragen” i.S.v. § 485 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 ZPO im Zusammenhang mit der Zuordnung (Verursachung) der fehlerhaften Istbeschaffenheit bzw. des Rechtsbegriffs „Mangel” zu einer bestimmten Werkleistung der in Betracht kommenden Baubeteiligten, nach den erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen, deren voraussichtlichen Kosten und der Bauschäden ist im selbstständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO der Ausforschungsbeweis ausnahmsweise zulässig.
5. Sofern der vom Gericht beauftragte Sachverständige ermitteln soll, ob die Istbeschaffenheit der Werkleistung hinter deren Sollbeschaffenheit zurückbleibt und damit, soweit die übrigen Voraussetzungen des § 633 Abs. 1 BGB a.F. vorliegen, ein Mangel vorhanden, die Werkleistung also „mangelhaft” oder „fehlerhaft” ist, hat das Gericht in der Beweisanordnung dem Sachverständigen nach § 404a ZPO mitzuteilen, von welcher Sollbeschaffenheit (vertraglich vereinbart oder Standard der „allgemein anerkannten Regeln der Technik”?) er auszugehen hat.
Normenkette
ZPO §§ 404a, 485 ff., § 487 Nr. 2, § 490 Abs. 2, § 571 a.F.; BGB § 633 Abs. 1 a.F.
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 12 OH 8/01) |
Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde wird der Nichtabhilfebeschluss des LG Aachen vom 3.1.2002 – 12 OH 8/01 – aufgehoben, soweit er das Verfahren gegenüber den Antragsgegnern zu 1) und 2) betrifft, und das Verfahren zur erneuten Entscheidung (§ 571 ZPO a.F.) über die vorgenannte Beschwerde an das LG Aachen zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Beschwerde ist statthaft. § 490 ZPO regelt zwar nicht die Statthaftigkeit des Rechtsmittels betreffend den den Antrag nach § 485 Abs. 2 ZPO abweisenden Beschluss ausdrücklich, indes entspricht es herrschender Meinung, dass gegen den ablehnenden Beschluss die einfache Beschwerde statthaft ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 490 Rz. 4; Siegburg, Handbuch der Gewährleistung beim Bauvertrag, 4. Aufl. 2000, Rz. 2266). Das gilt gleichermaßen, wenn der Antrag auf Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens lediglich teilweise abgewiesen worden ist, wie das in concreto in Bezug auf die Antragsgegner zu 1) und 2) geschehen ist.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
2. Die Beschwerde ist im erkannten Umfange begründet. Die Nichtabhilfeentscheidung des LG vom 3.1.2002 ist verfahrensfehlerhaft ergangen, so dass das Verfahren analog § 539 ZPO a.F. an das LG zurückzuverweisen ist (zur analogen Anwendung des § 539 ZPO a.F. in diesen Fällen vgl. Braun in MünchKomm/ZPO, § 571 Rz. 5 m.w.N.; Musielak/Ball, ZPO, 2. Aufl., § 571 Rz. 6 m.w.N.; vgl. auch Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl.,. § 571 Rz. 1).
Durch den Formularbeschluss vom 3.1.2002, der keine Begründung enthält, hat das LG der Beschwerde nicht abgeholfen. Das ist verfahrensfehlerhaft. Das LG Stuttgart (Beschl. v. 9.7.1991 – 2 T 511/91, RPfleger 1992, 56) ist der Auffassung, Nichtabhilfebeschlüsse seien grundsätzlich zu begründen. Ob dem uneingeschränkt zu folgen ist, kann dahingestellt bleiben. Im Schrifttum (so Braun in MünchKomm/ZPO, § 571 Rz. 8) wird die zutreffende Ansicht vertreten, die Frage, ob der Nichtabhilfebeschluss zu begründen ist, könne nicht generell beantwortet werden; vielmehr hänge dies von den Umständen des Einzelfalles ab. Vielfach werde sich die Begründung aus dem angefochtenen Beschluss selbst ergeben, so dass eine nochmalige Begründung entbehrlich sei. War der angefochtene Beschluss indessen unbegründet oder wird er mit anderer Begründung aufrechterhalten, so seien die Gründe offen zu legen. Ebenso sei der Nichtabhilfebeschluss zu begründen, wenn die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweisesmittel (vgl. § 570 ZPO a.F.) gestützt ist (so Braun in MünchKomm/ZPO, § 571 Rz. 8; Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl.,§ 571 Rz. 8) oder mit der Beschwerde neue Argumente vor...