Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllungseinwand im Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Materiell-rechtliche Einwendungen, die das Erlöschen des titulierten Anspruchs zum Gegenstand haben, sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn sie unstreitig sind. In einem solchen Falle fehlt das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers, noch eine Vollstreckungsklausel zu erlangen.
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 1 O 602/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2) wird der Beschluss des Vorsitzenden der 1. Zivilkammer des LG Aachen - 1 O 602/03 - dahingehend abgeändert, dass der mit der Vollstreckungsklausel zu versehende Urteilstenor im 1. Absatz um folgenden letzten Halbsatz zu ergänzen ist:
"..., und zwar abzgl. am 3.9.2003 auf die Hauptforderung geleisteter 333.049,44 Euro und am 5.9.2003 ebenfalls auf die Hauptforderung geleisteter 73,35 Euro."
Der weiter gehende Vollstreckbarkeitserklärungsantrag der Antragstellerin und die weiter gehende Beschwerde werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten erster Instanz haben die Antragstellerin zu 65 % und im Übrigen die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu tragen.
Außergerichtliche Kosten der Antragstellerin erster Instanz sind nur nach einem Gegenstandswert von 176.973,89 Euro erstattungsfähig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin zu 65 % und im Übrigen der Antragsgegnerin zu 2) auferlegt.
Gründe
I. Die Antragstellerin, eine belgische Bank, hat aus einer Baufinanzierung am 25.2.2003 ein Urteil des Gerichts erster Instanz in Eupen/Belgien gegen die Antragsgegner über 510.096,68 Euro erwirkt, das der Vorsitzende einer Zivilkammer des LG Aachen mit Beschluss vom 5.12.2003 wegen der Hauptforderung zzgl. 84,03 Euro Tageszinsen bis zum Tag der Ladung am 23.7.2002 und gesetzlicher Zinsen von 7 % p.a. auf 477.239,95 Euro seit dem 23.7.2002 und zzgl. der mit 766,38 Euro abgerechneten Kosten des Verfahrens für vollstreckbar erklärt hat.
Gegen diesen am 17.2.2004 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin zu 2) mit ihrer am 5.3.2004 eingegangenen Beschwerde. Sie macht geltend, dass der überwiegende Teil der titulierten Forderung erloschen sei, weil das finanzierte Objekt inzwischen verkauft und der Verkaufserlös der Antragstellerin zugeflossen sei. Die Antragstellerin räumt ein teilweises Erlöschen ein.
II. Die (befristete) Beschwerde ist gem. Art. 43 Abs. 1, 2, 5 S. 2 EuGVVO i.V.m. §§ 11, 55 Abs. 2 AVAG zulässig, insb. hat die in Belgien wohnende Antragsgegnerin zu 2., für die nicht die Monatsfrist des § 11 Abs. 3 AVAG, sondern die Frist von 2 Monaten des § 43 Abs. 5 S. 2 EuGVVO gilt, das Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt.
In der Sache hat die Beschwerde teilweise Erfolg.
Zwischen den Parteien ist es nicht im Streit, dass der Erlös aus dem Verkauf des finanzierten Objekts der Antragstellerin zugeflossen ist und sie nach den von ihr eingereichten Kontenabrechnungen am 3. bzw. 5.9.2003 Beträge von 333.049,44 Euro bzw. 73,35 Euro auf die Hauptforderung gutgeschrieben hat. Damit ist die Hauptforderung nach Erlass des Urteils des Gerichts erster Instanz in Eupen teilweise erloschen und der hierauf gestützte Erfüllungseinwand greift durch.
Allerdings wird im Anwendungsbereich der EuGVVO in der Literatur teilweise in Zweifel gezogen, ob nicht die Vorschrift des § 12 AVAG, welche dem Schuldner die Geltendmachung von nachträglich entstandenen materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch ermöglicht, durch § 45 EuGVVO verdrängt wird, weil hierin ausdrücklich bestimmt ist, dass auf einen Rechtsbehelf nach Artikel 43 EuGVVO, also in Deutschland auf eine Beschwerde, die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in den Art. 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt werden darf, wozu nach Urteilserlass entstandene Einwendungen materiell-rechtlicher Art unzweifelhaft nicht gehören (so Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsbd., Art. 43 EuGVVO Rz. 7; Münzberg in Festschrift für Reinhold Geimer, S. 748 ff.; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 25. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rz. 3; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rz. 14; Hub, NJW 2001, 3145 [3147]; Micklitz/Rott, EuZW 2002, 15 [22]). Dem wird allerdings entgegengehalten, dass die Behandlung materiell-rechtlicher Einwendungen gegen einen Titel in der EuGVVO nicht geregelt und es deshalb dem nationalen Gesetzgeber überlassen sei, eigenständig zu regeln, wie mit entsprechenden Sachverhalten zu verfahren sei, ob insb. nur der Weg über eine selbständige Vollstreckungsgegenklage eröffnet oder die Geltendmachung der Einwendungen aus Gründen der Verfahrensökonomie zeitlich vorverlegt und schon mit dem Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung kombiniert werde (so insb. Wagner, IPrax 2002, 75 [83]; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rz. 27 ff.)
Welcher dieser beiden Meinungen vom grundsätzlichen Ansatz her zu folgen ist, kann vorliegend aber letztlich offen bleiben. Die Frage der Berücksi...