Normenkette
StGB § 57 Abs. 1, §§ 68b, 68d, 68e Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 68f Abs. 1 Sätze 1-2; StPO § 453 Abs. 2 Sätze 1-2, §§ 456a, 463 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 56 StVK 227/09) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer hat bis zum 02.07.2009 eine vom Landgericht Schwerin mit Urteil vom 25.02.2004 - 33 KLs 58/03 jug.- wegen schweren Bandendiebstahls verhängte Freiheitsstrafe von 3 Jahren und zwei Monaten vollständig verbüßt. Im Anschluß hieran hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die gemäß § 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB von Gesetzes wegen eintretende Führungsaufsicht nicht nach Abs. 2 der Bestimmung entfällt, da dem Beschwerdeführer keine günstige Sozialprognose gestellt werden könne. Unter Ziff. IV Nr. 2 des Beschlusses hat die Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten untersagt, sich für die (auf fünf Jahre festgesetzte) Dauer der Führungsaufsicht auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Der Beschwerdeführer ist gem. Schreiben des Landrates des Rhein-Sieg-Kreises vom 19.03.2008 vollziehbar ausreisepflichtig und kann abgeschoben werden. Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat gleichwohl von der Möglichkeit, gem. § 456 a StPO von der Vollstreckung abzusehen, keinen Gebrauch gemacht. Der Beschwerdeführer befindet sich nach Verbüßung der Strafe aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 05.05.2008 in Untersuchungshaft; ihm liegt ein weiterer Bandendiebstahl zur Last. In diesem Verfahren ist unter dem 13.05.2009 Anklage erhoben worden (StA Köln 101 Js 11/09).
Gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 09.06.2009 hat der Verurteilte mit Verteidigerschriftsatz vom 19.06.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der gerügt wird, die Weisung, die Bundesrepublik zu verlassen, sei gesetzeswidrig. Sie stelle eine mit dem Recht der Europäischen Union unvereinbare Aufenthaltsbeschränkung dar, für die allein die Ausländerbehörde zuständig sei.
II.
1. Der Senat wertet das Rechtsmittel dahin, dass es sich allein gegen das Verbot des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und nicht gegen die Feststellung des Nichtentfallens der Führungsaufsicht als solche richtet , die in keiner Weise zu beanstanden ist, sodass ein Rechtsmittel dagegen keine Erfolgsaussicht hätte. Insbesondere hindert den Eintritt der Führungsaufsicht nicht, dass der Beschwerdeführer nach vollständiger Verbüßung der Strafe nicht aus der Haft entlassen worden ist, sondern sich weiterhin in (Untersuchungs-)Haft befindet (OLG Düsseldorf NStZ-RR 02,190; S/S-Stree, StGB, 27. Aufl., Randnr.6). Etwas anderes bestimmt § 68 f Abs. 1 S.2 StGB nur für den Fall, dass im Anschluß an die Strafvollstreckung eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.
2. Das so verstandene Rechtsmittel ist gem. §§ 463 Abs. 1, 453 Abs. 2 S. 1 und 2 StPO als einfache Beschwerde statthaft, die nur auf die Gesetzeswidrigkeit einer Anordnung gestützt werden kann, worauf sich der Verurteilte ausdrücklich beruft. Dabei kann die Gesetzeswidrigkeit auch darin liegen, dass die Grenzen des der Strafvollstreckungskammer eingeräumten Ermessens überschritten sind, während bloße Zweckmäßigkeitsrügen die Beschwerde nicht rechtfertigen können (KK-Appl, StPO, 6. Aufl., § 453 Randnr. 13 ff)
3. Die demnach zulässige Beschwerde ist begründet.
Die unter Ziff. IV Nr. 2 ausgesprochene Weisung ist - unabhängig von den vom Verurteilten aufgeworfenen aufenthaltsrechtlichen Fragen - ungeeignet, das Ziel der Führungsaufsicht zu erreichen und damit gesetzeswidrig in dem oben erläuterten Sinne. Aufgabe der Führungsaufsicht als Maßregel der Besserung und Sicherung ist es, den Versuch zu machen, auch Tätern mit vielfach schlechter Sozialprognose - die dem Beschwerdeführer unzweifelhaft zu stellen ist - nach Strafverbüßung eine Lebenshilfe für den Übergang von der Freiheitsentziehung in die Freiheit zu geben und sie dabei zu überwachen und zu führen ( vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl., Vor § 68 Randnr. 2). Mit diesem Gesetzeszweck kann das Aufenthaltsverbot in Deutschland in keinen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Die Ausgestaltung der Führungsaufsicht erschöpft sich letztlich in der Weisung, Deutschland zu verlassen und innerhalb der Dauer der Führungsaufsicht nicht zu betreten. Die in Ziff. II. angeordnete Unterstellung unter die Führungsaufsichtsstelle läuft damit praktisch leer, der in Ziff. IV 1. angeordneten Pflicht zur Meldung eines Wohnsitzwechsels kommt kein erkennbar sinnvoller Gehalt zu.
Das Aufenthaltsverbot stellt sich damit im Ergebnis als das Gegenteil der mit dem Gesetz bezweckten Hilfestellung und Beaufsichtigung dar, weil es den Beschwerdeführer während der Dauer der Führungsaufsicht ohne eine praktisch zu realisierende Überwachungsmöglichkeit sich selbst überläßt. Dass der Beschwerdeführer auf diese Wei...