Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht
Leitsatz (amtlich)
Nach der Neufassung des § 30 Abs. 3 S. 1 StVO durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3549) ist der Fahrzeughalter in dieser Eigenschaft nicht mehr Normadressat des Sonn- und Feiertagsfahrverbots.
Normenkette
StVO § 30 Abs. 3
Tenor
I.
Die Sache wird durch den Rechtsunterzeichner dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II.
Der angefochtene Beschluss wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Bergheim zurückverwiesen.
Gründe
A.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit der angefochtenen Entscheidung wegen "fahrlässiger Anordnung bzw. Zulassung der verbotswidrigen Teilnahme eines LKWs an einem Feiertag am öffentlichen Straßenverkehr" zu der Geldbuße von 400,-- € verurteilt. Es hat zum Tatgeschehen die nachfolgenden Feststellungen getroffen:
"Am 30.03.2018 (Karfreitag) befuhr Frau A mit dem LKW mit dem amtlichen Kennzeichen B unter anderem die C FR D. Dabei hatte sie Transportgut geladen, welches sie am 29.03.2018 von dem Verladebahnhof E in Empfang genommen hatte. In F wurde sie zum oben angegebenen Zeitpunkt auf der C fahrend angetroffen und kontrolliert. Bei der Strecke E-F handelt sich um eine Strecke weit über 200km. Frau A ist bei dem Speditionsunternehmen G B. V. angestellt, welche Halterin des LKW und dessen Geschäftsführer der Betroffene ist. (...) Gegen die Fahrerin wurde wegen desselben Sachverhaltes ein Bußgeld i.H.v. 120,00 EUR rechtskräftig festgesetzt."
Und im Rahmen der rechtlichen Bewertung heißt es:
"Durch den oben festgestellten Sachverhalt hat der Betroffene als Geschäftsführer des Fahrzeughalters eine verbotswidrige Lkw-Fahrt an einem gesetzlichen Feiertag zumindest fahrlässig zugelassen."
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser die Verletzung materiellen Rechts rügt und das Verfahren beanstandet.
B.
I.
Die Übertragung der Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern beruht auf § 80a Abs. 3 S. 1 Alt. 1 OWiG. Wie zu zeigen sein wird, wirft der angefochtene Beschluss Rechtsfragen auf, die bislang obergerichtlich noch nicht entschieden sind.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG statthafte, Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die von der Verteidigung erhobenen Verfahrensbeanstandungen (betreffend den Übergang in das Beschlussverfahren und die Akteneinsicht) kommt es danach nicht mehr an.
1.
Verfahrenshindernisse bestehen freilich - entgegen der von der Verteidigung vertretenen Rechtsmeinung - nicht.
a)
Ein Verfahrenshindernis ergibt sich zunächst nicht daraus, dass der Bußgeldbescheid nicht in die niederländische Sprache übersetzt worden ist. Dieser Umstand führt nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung und in der Folge zum Eintritt der Verfolgungsverjährung.
aa)
Es mag offen bleiben, ob sich - wie die Verteidigung meint - eine Rechtspflicht zur Übersetzung des Bußgeldbescheids aus Art. 3 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren folgt. Immerhin bestimmt Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie, dass in Fällen, in denen - wie hier - nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats die Verhängung einer Sanktion wegen geringfügiger Zuwiderhandlungen durch eine Behörde, die kein in Strafsachen zuständiges Gericht ist, vorgesehen ist, und - gleichfalls wie hier - gegen die Verhängung einer solchen Sanktion bei einem solchen Gericht Rechtsmittel eingelegt werden können, die Richtlinie nur auf das Verfahren vor diesem Gericht nach Einlegung eines solchen Rechtsmittels Anwendung findet. Die von der Verteidigung angezogene Entscheidung des EuGH vom 12. Oktober 2017 (C-278/16, veröffentlicht u.a. in NJW 2018, 142) betrifft demgegenüber die Festsetzung strafrechtlicher Rechtsfolgen im Strafbefehlswege.
bb)
Jedenfalls aber führt die fehlende Übersetzung des Bußgeldbescheids in eine dem Betroffenen verständliche Sprache nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung. Diesem ist vielmehr ggf. mit der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu helfen. Das hat der Senat mit Beschluss vom 9. Dezember 2014 (III-1 RVs 167/14 = NStZ-RR 2015, 371) für die Wirksamkeit einer Terminsladung ausgesprochen; die dort angestellten Erwägungen gelten hier sinngemäß (s. weiter KK-OWiG-Kurz, 5. Auflage 2018, § 66 Rz. 33 m. N.). Eine Frist hat der Betroffene aber nicht versäumt, vielmehr gegen den Bußgeldbescheid vom 9. Juli 2018 durch anwaltlichen Schriftsatz vom 24. Juli 2018 rechtzeitig Einspruch eingelegt.
b)
Verjährung ist auch im Weiteren nicht eingetreten. Nach Erlass des Bußgeldbescheids am 9. Juli 2018 hat das Amtsgericht am 22. November 2018 Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und damit die zu diesem Zeitpunkt ...