Entscheidungsstichwort (Thema)
Antizipierte Beweiswürdigung bei VKH in Ehesachen
Leitsatz (amtlich)
Nach § 128 FamFG erfordert eine Entscheidung in einem Eheaufhebungsverfahren eine persönliche Anhörung der Eheleute und eine Gesamtwürdigung der vorgetragenen Tatsachen, die grundsätzlich erst nach dieser Anhörung und ggf. erforderlicher Beweisaufnahme erfolgen kann. Erst im Anschluss hieran trifft das Familiengericht seine Entscheidung. Die notwendige umfassende Beweiswürdigung kann grundsätzlich nicht auf das Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren bei der Prüfung der Erfolgsaussicht vorverlagert werden.
Normenkette
FamFG §§ 128, 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 04.08.2010; Aktenzeichen 405 F 118/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Bonn vom 4.8.2010 - 405 F 118/10 - abgeändert und neu gefasst:
Dem Antragsgegner wird ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. in C. ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die Ehesache 405 F 118/10 bewilligt.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe hat in der Sache Erfolg. Dem Antragsgegner ist unter Beiordnung eines Rechtsanwalts Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren auf Eheaufhebung zu bewilligen.
Eine Entscheidung in dem Eheaufhebungsverfahren erfordert eine persönliche Anhörung der Eheleute und eine Gesamtwürdigung der vorgetragenen Tatsachen, die grundsätzlich erst nach dieser Anhörung erfolgen kann. Das sieht § 128 FamFG ausdrücklich vor. Erst im Anschluss, ggf. nach Erhebung weiterer Beweise trifft das Familiengericht seine Entscheidung. Diese umfassende Beweiswürdigung kann nicht auf das Verfahrenskostenhilfeverfahren verlagert werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn wie hier verschiedene Sachverhaltsschilderungen vorliegen. Die Verweigerung der Verfahrenskostenhilfe in diesem Verfahren, in dem Anwaltspflicht besteht, würde andernfalls schon im Vorfeld für eine Partei zu einer ungünstigen (Vor-)Entscheidung führen, ohne dass die vorgesehene persönliche Anhörung erfolgt ist.
Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsgegner seine Darstellung, es sei durch Druck der Familie der Antragstellerin zu der Scheidungszeugnisschrift vom 18.6.2010 gekommen und diese sei noch nachträglich ergänzt worden, im Beschwerdeverfahren näher erläutert und für seine Version Zeugen angeboten. Zwar bestehen nach wie vor Zweifel an seiner Darstellung, auf die das Familiengericht zu Recht mit Blick auf die Unterschrift unter der Urkunde hingewiesen hat. Indes ist im Termin durch Anhörung der Beteiligten und eventuell Erhebung weiterer Beweise auf die Aufklärung dieser Punkte hinzuwirken. Der vom Antragsgegner geschilderte Ablauf ist jedenfalls nicht ausgeschlossen. Der Antragstellerin und ihrer Familie war nach Vorlage der Urkunden vor dem Heiratstermin der Altersunterschied bekannt. Auch wusste die Antragstellerin, dass der Antragsgegner keine feste Arbeitsstelle hatte. Die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis bzw. Arbeitserlaubnis durften der Antragstellerin als deutsche Staatsangehörige sowie ihrem damaligen gesetzlichen Vertreter ebenfalls im Wesentlichen bekannt gewesen sein. Ob dann noch die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung gem. § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorliegen, erscheint derzeit offen. Ungeklärt ist bisher, ob daneben ein Aufhebungsgrund nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB in Betracht kommen kann.
In Hinblick auf die noch nicht geklärte Sachlage sowie die offene Rechtslage erscheint die Verteidigung des Antragsgegners nicht aussichtslos, so dass ihm Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. zu bewilligen ist.
Der Antragsgegner ist verpflichtet, monatliche Raten á 75 EUR, beginnend ab dem 1.12.2010 zu zahlen. Diese Ratenverpflichtung folgt aus seinen Einkommensverhältnissen, die sich wie folgt darstellen:
Einkommen brutto aus Hauptarbeitsstelle: (durchschnittlich) |
1.060 EUR |
abzgl. Steuern, Sozialversicherung etc. verbleiben netto: |
843 EUR |
zzgl. Verdienst Nebenjob |
385 EUR |
abzgl. Selbstbehalt und Erwerbstätigenfreibetrag |
575 EUR |
abzgl. Jobticket |
54 EUR |
abzgl. Miete |
349 EUR |
verbleiben |
250 EUR |
Weitere monatliche Belastungen können nicht berücksichtigt werden. Die an die Rechtsanwälte Dr. O. zu zahlende Rate fällt bei Gewährung von Verfahrenskostenhilfe weg. Der Grund für die übrigen Ratenzahlungen ist nicht schlüssig dargelegt; im Übrigen fallen diese Belastungen in die Lebenshaltungskosten (Strom u.a.), die mit dem Selbstbehalt berücksichtigt sind.
Bei dem ermittelten einzusetzenden Einkommen sind Raten á 75 EUR angemessen.
Eine Kostenentscheidung ist wegen § 127 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 2 FamFG entbehrlich.
Fundstellen