Verfahrensgang
AG Aachen (Aktenzeichen 233 F 274/14) |
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt I, B, bewilligt.
Der Senat weist gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG darauf hin, dass er beabsichtigt, die Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Aachen vom 10.09.2015 - 233 F 274/14 - als unbegründet zurückzuweisen.
Die Antragstellerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang des Beschlusses.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die Eltern der Kinder B2, geboren am 26.02.1998, L, geboren am 20.07.2000 und B3, geboren am 24.11.2003. Die Eltern trennten sich im Oktober 2012, wobei die Kinder - auf eigenen Wunsch - in beiden Haushalten lebten. In einem vorangegangenen Verfahren 233 F 82/13, welches auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Antragstellerin gerichtet war, einigten sich die Eltern im Termin am 24.04.2013 entsprechend der Vorschläge von Gericht und Jugendamt auf ein Wechselmodell, welches seither praktiziert wird.
Die Antragstellerin hat eine Abänderung des Modells und die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge beantragt und hierzu gemeint, das Wechselmodell sei gescheitert, da - so hat sie behauptet - der Antragsgegner (der nur schriftlich mit ihr verkehrt) kaum zu Absprachen und Kooperation in der Lage sei und die Kinder verstärkte Verhaltensaufälligkeiten zeigten, die, so hat sie weiter gemeint, ihren Grund im Wechselmodell und der väterlichen Einflussnahme hätten. Dem ist der Antragsgegner entgegen getreten, der insbesondere gemeint hat, der rein schriftliche Kontakt der Eltern untereinander stehe dem praktizierten Wechselmodell nicht entgegen.
Das AG hat nach Anhörung der Kinder den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt, das nunmehr schon jahrelang ausgeübte Wechselmodell entspreche dem Kindeswohl am besten. Nicht nur der Kontinuitätsgrundsatz, sondern auch die Bedürfnisse der Kinder entsprechend ihrer Anhörung sprächen für die Beibehaltung des Wechselmodells. Die Kinder, die aufgrund ihres Alters bereits hinreichend einsichtsfähig seien, hätten sich einhellig für das bisherige Modell ausgesprochen, so dass zu besorgen sei, dass der Erziehungsprozess bei alleiniger Sorge der Antragstellerin - welche dann von ihren Kindern für die Veränderung "verantwortlich gemacht" zu werden drohe - durch eine Änderung noch erschwert werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit welcher diese ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt und für deren Durchführung Verfahrenskostenhilfe beantragt wird. Sie behauptet, sie sei zum damaligen familiengerichtlichen Vergleich genötigt worden und habe schon damals das Wechselmodell nicht gewünscht. Weder die (von ihr behaupteten) Verhaltensauffälligkeiten der Kinder noch die tiefgreifenden Schwierigkeiten der elterlichen Kommunikation seien richtig gewürdigt worden; tatsächlich seien die Kinder emotional und sozial stark belastet, was sie aber in der Anhörung und der dortigen Kürze der Zeit nicht hätten kommunizieren können und wollen.
II. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kommt nicht in Betracht, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat. Das AG hat zu Recht den Antrag zurückgewiesen.
Maßstab der Entscheidung ist nach § 1671 Abs. 1 BGB das Kindeswohl. Bei der hiernach gebotenen zweistufigen Prüfung hat das AG zu Recht auf der ersten Stufe angenommen, dass bereits die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht dem Kindeswohl entspräche. Zwar können, worauf die Beschwerde im Grundsatz zu Recht hinweist, die Eltern das gemeinsame Sorgerecht nur dann weiterhin ausüben, wenn sie - als unverzichtbare Voraussetzung hierfür - auch Kooperationsbereitschaft zeigen, also den Willen, die Verantwortung für das Kind auch nach der Trennung zusammen zu tragen (BVerfG, Urt. v. 03.11.1982 - 1 BvL 25/80, FamRZ 1982, 1179; BVerfG, Beschl. v. 18.12.2003 - 1 BvR 1140/03, FamRZ 2004, 354).
Die Notwendigkeit ausreichender Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft bedeutet jedoch nicht, dass die gemeinsame elterliche Sorge bereits dann abzulehnen wäre, wenn die Gefahr von Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen der Eltern besteht oder sich bereits in der Vergangenheit an dem einen oder anderen Punkt Konflikte entzündet haben und streitig ausgetragen wurden (OLG Naumburg, Beschl. v. 06.08.2014 - 3 UF 130/14, FamRZ 2015, 763). Zur Normalität in Eltern-Kind-Beziehungen gehört vielmehr, dass Eltern über Einzelfragen der Erziehung unterschiedliche Auffassungen haben (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.03.2015 - 18 UF 304/14, n. v.). Die Zerstrittenheit der Eltern kann nur dann zum Anlass der Aufhebung eines gemeinsamen Sorgerechts gemacht werden, wenn die begründete Annahme besteht, dass die Kindeseltern eine dem Kindeswohl dienende gemeinsame Ausübung...