Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung von Verweisungsbeschlüssen; Gerichtsstandsbestimmungsverfahren; Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Gerichtsstand für Haustürgeschäfte
Leitsatz (amtlich)
Behauptet der Käufer einer als Anlage- und Steuersparobjekt erworbenen Immobilie, der Verkäufer (zugleich Berater) habe ihn über Kosten und sonstige finanzielle Vor- und Nachteile des Erwerbs unrichtig beraten und verlangt er deshalb Rückabwicklung des Kaufvertrags, ist die Auffassung, Erfüllungsort dafür sei der Geschäftssitz des auch als Berater tätig gewordenen Verkäufers, jedenfalls vertretbar.
§ 29c ZPO findet auch dann Anwendung, wenn (hier nach Behauptung des Beklagten) ein Widerrufs- oder Rücktrittsrecht nach §§ 312 Abs. 3 Nr. 1-3 BGB nicht besteht.
Normenkette
ZPO §§ 29, 29c, 36, 281
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 26.01.2005; Aktenzeichen 20 O 684/04) |
LG Dortmund (Aktenzeichen 7 O 41/05) |
Tenor
Zuständig ist das LG Dortmund.
Gründe
Nach §§ 36 Abs. 1 Ziff. 6, Abs. 2, 37 ZPO wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug höhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, wie es hier der Fall ist.
Zuständig ist das LG Dortmund aufgrund des Beschlusses des LG Köln vom 26.1.2005, der nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO für das LG Dortmund bindend ist. Gründe, die der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung ausnahmsweise entgegen stehen würden, liegen nicht vor. Er war insb. nicht objektiv willkürlich. Bloße inhaltliche Unrichtigkeit oder sonstige Fehlerhaftigkeit genügen grundsätzlich nicht, um Willkür zu bejahen (BGH v. 19.1.1993 - X ARZ 845/92, MDR 1993, 576 = NJW 1993, 1273; MDR 2002, 1451; auch st. Rspr. des Senats vgl. etwa OLG Köln, Beschl. v. 19.5.2004 - 5 W 74/04, v. 19.7.2004 - 5 W 77/04; v. 15.10.2004 - 5 W 141/04). Der Verweisungsbeschluss darf bei verständiger Würdigung nicht mehr verstehbar erscheinen und muss offensichtlich unhaltbar sein (BVerfGE 29, 45 [49]; BGH MDR 1996, 1032). Dass sich der Richter nicht an einer herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur orientiert, stellt nach eindeutiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH MDR 2002, 1450 [1451]) gerade keinen Anlass dar, objektive Willkür anzunehmen, sofern nicht andere Anhaltspunkte vorliegen, die erkennen lassen, dass der Richter sich bewusst des Verfahrens entledigen wollte (vgl. insoweit OLG Köln, Beschl. v. 20.2.2004 - 5 W 20/04; Beschl. v. 23.1.2004 - 5 W 12/04; v. 13.10.2004 - 5 W 134/04; v. 15.10.2004 - 5 W 141/04).
Ob das LG Köln seine eigene (auf § 29 ZPO gestützte) Zuständigkeit letztlich zu Recht verneint hat, muss der Senat nicht entscheiden. Allerdings erscheint die Auffassung des LG Köln insoweit zumindest als vertretbar, so dass sie keinesfalls objektiv willkürlich ist. Das LG Köln geht zunächst - in Übereinstimmung mit dem Kläger - von einem Beratungsvertrag mit der Beklagten zu 1) aus. Das erscheint angesichts der jüngeren BGH-Rechtsprechung (BGH v. 27.11.1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140, 111 [115] = MDR 1999, 349; v. 14.3.2003 - V ZR 308/02, MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 719 = NJW 2003, 1811 [1812]) bei Geschäften der vorliegenden Art, wo Immobilien als Anlage- und Steuersparobjekte erworben werden, auch als zutreffend, keinesfalls aber als offensichtlich unhaltbar. Danach ist die Beratung des Käufers selbständige Hauptpflicht des Verkäufers aus einem Beratungsvertrag, wenn der Verkäufer im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen und auf Befragen des Käufers einen ausdrücklichen Rat erteilt, oder wenn der Verkäufer als Ergebnis intensiver Vertragsverhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, das zur Förderung der Vermittlung des Geschäfts dienen soll. Dies ist nach dem Vortrag des Klägers hier der Fall.
Konsequent und jedenfalls vertretbar erscheint es dann aber, den Erfüllungsort danach zu bestimmen, wo die Beratungspflichten, die verletzt sein sollen, zu erfüllen sind, und nicht danach, wo der Kaufvertrag zu erfüllen und ggf. rückabzuwickeln ist. Grundsätzlich ist Erfüllungsort bei einem Beratungsvertrag, der auf Kapitalanlagegeschäfte gerichtet ist, der Geschäftssitz des Beraters (BGH v. 7.5.2002 - XI ZR 197/01, BGHReport 2002, 732 = MDR 2002, 1135 = NJW 2002, 2703; BayObLG v. 10.6.2002 - IZ AR 50/02, NJW 2002, 2888). Erfüllungsort wäre danach entweder Bielefeld (Hauptsitz der Beklagten zu 1) oder - falls die Voraussetzungen des § 21 ZPO vorliegen, was zweifelhaft erscheint - Dortmund. Dortmund käme als Erfüllungsort vor allem unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass dies aus den Umständen (hier etwa Beratung durch eine Dortmunder Filialdirektion und in der Wohnung des Kunden) zu entnehmen wäre (§ 269 Abs. 1 BGB), was ebenfalls als gut vertretbar erscheint. Köln hingegen käme als Erfüllungsort danach eher nicht in Betracht. Der Grundsatz, dass als Erfüllungsort einer Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages im Wege des Schadensersatzes der Ort der belegen...