Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 20.11.2017; Aktenzeichen 19 O 255/17)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 20.11.2017 abgeändert und der Beklagten die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auferlegt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

 

Gründe

I. 1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 91a Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise erhoben worden. Über das Rechtmittel entscheidet der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 568 S. 1 ZPO).

2. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst Erfolg. Das Landgericht hat dem Kläger zu Unrecht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

a) Haben die Parteien - wie hier - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Da die Kostenentscheidung nach dem Gesetz in das Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts gestellt ist, ist die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts nach der in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung beschränkt. Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung nur auf Ermessensfehler in Form des Ermessensfehlgebrauchs oder der Ermessensüberschreitung zu überprüfen, also darauf, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht hat; das ist namentlich dann der Fall, wenn es für die Ermessensentscheidung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt oder sonst unberücksichtigt gelassen hat (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 2001, 1652; BGH NJW-RR 2007, 1586; OLG Koblenz, MDR 2015, 836; OLG Rostock, JurBüro 2010, 377; a.A. allerdings die überwiegende Auffassung in der Kommentarliteratur; vgl. Zöller/Althammer, a.a.O., § 91a Rdn. 28; MünchKomm/Schulz, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 91a Rdn. 67; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 91a Rdn. 25a).

In der Sache selbst kommt es für die zu treffende Entscheidung vornehmlich darauf an, wem nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt worden wäre (vgl. etwa BGH NJW 2007, 3429; Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 91a Rdn. 24 m.w.Nachw.). Das Beschwerdegericht hat dabei allerdings zu beachten, dass neue Tatsachen und Beweismittel im Beschwerdeverfahren nur soweit verwertet werden dürfen, wie das erstinstanzlich nach übereinstimmender Erledigungserklärung vor der angegriffenen Entscheidung zulässig gewesen wäre (Musielak/Voit/Flockenhaus, a.a.O., § 91a Rdn. 25a). Auch vor diesem Hintergrund ist allerdings neuer Tatsachenvortrag jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn er unstreitig ist (OLG Düsseldorf MDR 1993, 1120; MünchKomm/Schulz, a.a.O., § 91a Rdn. 48).

b) Auch nach diesem eingeschränkten Maßstab bedarf die landgerichtliche Entscheidung der Korrektur. Das Landgericht hat das ihm eingeräumte Ermessen zum einen deshalb fehlerhaft ausgeübt, weil der von ihm angenommene Sachverhalt eine entsprechende Anwendung des § 93 ZPO nicht trägt (s. sogleich unter aa). Darüber hinaus sind im angefochtenen Beschluss die maßgeblichen Tatsachen nicht vollständig erfasst (unten bb).

aa) Der landgerichtliche Einzelrichter ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte bei streitiger Entscheidung des Rechtsstreits unterlegen wäre. Soweit die Beklagte nunmehr im Beschwerderechtszug die Abstammung des Klägers vom Erblasser - und damit seine Pflichtteilsberechtigung - in Frage stellt, ist dies nach dem oben dargelegten Maßstab schon deshalb unbehelflich, weil sie vor der landgerichtlichen Kostenentscheidung den Pflichtteilsanspruch des Kläger - und damit konkludent auch dessen tatsächliche Voraussetzungen - zunächst als "unstreitig" bezeichnet hatte (S. 1 des Schriftsatzes vom 20.09.2017, Bl. 44 d.A.). Unabhängig davon erfolgt das nunmehrige Bestreiten der Beklagten aber auch ersichtlich ins Blaue hinein und steht in erkennbarem Widerspruch zum Inhalt der von ihr selbst vorgelegten Unterlagen.

Das Landgericht ist indes zu Unrecht zu der Einschätzung gelangt, dass dem Kläger trotz seines voraussichtlichen Obsiegens in der Hauptsache mit Rücksicht auf die in § 93 ZPO zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wertung die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen seien, weil die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Veranlassung zur Klageerhebung gibt der Beklagte immer dann, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (allg. Meinung, vgl. etwa Zöller/Herget, a.a.O, § 93 ZPO, Rdn. 3 m.w.Nachw.). Dabei hat ein in Verzug gesetzter Schuldner grundsätzlich Veranlassung zur Klage gegeben (Zöller/Herget, ...

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