Leitsatz (amtlich)
Der Umstand, dass ein Ehegatte während der Ehe auf einem Abendgymnasium sein Abitur nachholt, um anschließend zu studieren und deswegen seine Erwerbstätigkeit aufgibt, kann – bei Scheitern der Ehe unmittelbar nach Abschluss der Schulausbildung – dazu führen, dass die – uneingeschränkte – Durchführung des Versorgungsausgleichs jedenfalls dann grob unbillig ist, wenn zu den fehlenden ehebedingten Nachteilen als besonderer Umstand hinzu kommt, dass der Verpflichtete während der Schulausbildung des anderen Ehegatten durch seine volle Erwerbstätigkeit einen überobligationsmäßigen Beitrag zum Familienunterhalt geleistet und gerade dadurch dem anderen Ehegatten den Abschluss einer qualifizierten Ausbildung ermöglicht und finanziert hat (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 3. Aufl., § 1587c Rz. 21; RGRK-Wick, BGB, 12. Aufl., § 1587c Rz. 46; Palandt/Brudermüller, BGB, 62. Aufl., § 1587c Rz. 27).
Normenkette
BGB § 1587c Nr. 1, § 1587a Nr. 1
Verfahrensgang
AG Bonn (Urteil vom 03.09.2002; Aktenzeichen 42 F 313/01) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 27.11.2002 wird das seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 28.10.2002 zugestellte Urteil des AG – FamG – Bonn vom 3.9.2002 – 42 F 313/01 – teilweise hinsichtlich des Ausspruches zum Versorgungsausgleich in den Ziffern 2) bis 4) des Urteilstenors abgeändert und wie folgt neu gefasst (zugleich unter Berichtigung des Namens der Beteiligten zu 2):
Von dem Konto Nr. … des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte werden auf das Konto Nr. ###2 der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 52,33 Euro, bezogen auf den 31.10.2001, übertragen.
Zusätzlich werden im Wege des erweiterten Wertausgleichs vom Konto des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf das Konto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zum teilweisen Ausgleich der Rente des Antragstellers bei der Versorgungskasse des Bankgewerbes (BVV) Rentenanwartschaften i.H.v. 45,81 Euro monatlich, bezogen auf den 31.10.2001, übertragen.
Die zu übertragenden Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte umzurechnen.
Es wird festgestellt, dass der Antragsgegnerin darüber hinaus eine schuldrechtlich auszugleichende Versorgung i.H.v. 20,36 Euro zusteht, bezogen auf den 31.10.2001.
Hinsichtlich der Kosten erster Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
Die gem. §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte Beschwerde ist in formeller Hinsicht bedenkenfrei und hat in der Sache teilweise Erfolg.
Der Antrag des Beschwerdeführers festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, ist insoweit begründet, als der Ehezeitraum vom 1.8.1997 bis zum 31.10.2001 vom Versorgungsausgleich auszuschließen ist, da die Durchführung des Wertausgleichs insoweit grob unbillig wäre.
I. Gemäß §§ 1587c Nr. 1, 1587h Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse grob unbillig wäre. Ein solcher Fall liegt hier im Hinblick auf einen vollständigen, die gesamte Ehezeit vom 1.9.1993 bis 31.10.2001 umfassenden Versorgungsausgleich in Ansehung des genannten Zeitraums von August 1997 bis zum gesetzlichen Ehezeitende vor.
Nach st. höchstrichterlicher Rspr., der der Senat folgt, kommt eine Herabsetzung oder ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs in Betracht, wenn aufgrund der besonderen Verhältnisse in einer Ehe die Durchführung des Wertausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Dies ist der Fall, wenn der Verzicht eines Ehegatten auf eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit nicht auf einer mit dem anderen vereinbarten Verteilung der ehelichen Aufgabenbereiche, sondern darauf beruht, dass er seine Arbeitskraft einer Schul- und Hochschulausbildung widmet, die ihn daran hindert, andere eheliche Aufgaben in größerem Maße zu erfüllen, als dies der andere Ehegatte neben seiner Erwerbstätigkeit noch tut. Ein Ehegatte, der zur Schule geht und anschließend studiert, erleidet beim Aufbau eigener Versorgungsanwartschaften keine ehebedingten Nachteile; er steht hinsichtlich seiner Altersversorgung nicht anders da, als wenn er nicht geheiratet hätte. Zudem werden die erlittenen Nachteile durch die Anrechnung von Ausbildungszeiten als Ausfallzeit in der Rentenversicherung oder als Dienstzeit in der Beamtenversorgung später teilweise wieder ausgeglichen. Die grobe Unbilligkeit i.S.d. §§ 1587c Nr. 1, 1587h Nr. 1 BGB kann in solchen Fällen schon durch den Umstand begründet werden, dass ein Ehegatte, der durch seine Erwerbstätigkeit dem anderen bereits erhebliche und dauerhafte Vorteile in der Form einer qualifizierten Ausbildung hat zukommen lassen, an deren wirtschaftlichem Ertrag er infolge Sc...