Leitsatz (amtlich)
Zur Frage einer genügenden Entschuldigung gemäß § 329 Abs. 1 StPO.
Bei telefonisch angekündigter Verspätung des Angeklagten infolge witterungsbedingter schlechter Verkehrsverhältnisse ist - ungeachtet eines möglichen Verschuldens durch verspäteten Reiseantritt - regelmäßig eine über den üblichen Zeitraum von 15 Minuten hinaus gehende Wartezeit geboten.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Dem Angeklagten wird gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Gründe
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts S. vom 19.12.2012 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts B. hat Termin zur Hauptverhandlung über die Berufung auf den 13.03.2013, 09.00 Uhr, bestimmt und den Angeklagten und seinen Verteidiger hierzu geladen.
Am Terminstag herrschten - wie bereits einen Tag vorher - winterliche Straßenverhältnisse in B. und Umgebung. Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der Vorsitzende der Strafkammer um 09.00 Uhr mit dem Verteidiger des Angeklagten telefoniert, welcher mitgeteilt hat, er sei mit dem Angeklagten um 08.00 Uhr in Lohmar abgefahren und man stehe nun wegen der winterlichen Witterungsbedingungen im Stau und werde sich voraussichtlich um 20 Minuten verspäten. Der Vorsitzende hat darauf dem Verteidiger mitgeteilt, dass bei Nichterscheinen bis 09.30 Uhr die Berufung verworfen werde. Nachdem der Angeklagte bis 09.35 Uhr nicht erschienen war, hat die Strafkammer die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs.1 StPO verworfen und die Sitzung um 09:38 Uhr geschlossen. Um 09.50 Uhr sind der Angeklagte und sein Verteidiger im Sitzungssaal erschienen, worauf ihnen mitgeteilt worden ist, dass die Berufung zwischenzeitlich verworfen worden sei.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20.03.2013 hat der Angeklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei aufgrund der frostigen Witterungslage unverschuldet nicht in der Lage gewesen, den Hauptverhandlungstermin rechtzeitig wahrzunehmen. Sein Verteidiger und er seien bereits um kurz vor 08.00 Uhr in L. abgefahren, die Wegstrecke sei bei durchschnittlichen Wetterverhältnissen in 25 Minuten zu bewältigen. Jedoch seien die Straßen an der Bonner Stadtgrenze verstopft gewesen. Gegen 08.45 Uhr habe sein Verteidiger telefonisch die Geschäftsstelle des Vorsitzenden über eine voraussichtliche Verspätung von circa 30 bis 40 Minuten informiert. Um 09.07 Uhr habe sich der Vorsitzende telefonisch bei seinem Verteidiger gemeldet, woraufhin dieser ihm mitgeteilt habe, dass er davon ausgehe, spätestens um 09.40 Uhr zur Verhandlung anwesend sein zu können. Nach mehreren weiteren vergeblichen Versuchen, den Vorsitzenden zu erreichen, habe er mit seinem Verteidiger den Sitzungssaal um 09.38 Uhr erreicht, der Vorsitzende habe ihn allerdings nicht mehr sehen wollen.
Mit Beschluss vom 22.03.2012 hat das Landgericht B. den Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten als unbegründet verworfen und ausgeführt, der Angeklagte habe eine unverschuldete Verhinderung weder schlüssig dargelegt noch glaubhaft gemacht. Zwar seien die Witterungsverhältnisse am 13.03.2013 in B. und Umgebung schneebedingt schwierig gewesen, jedoch habe der Angeklagte im Hinblick auf den Schneefall für seine Anreise leichtsinnig zu wenig Zeit eingeplant. Bei einer rechtzeitigen Abfahrt wäre es dem Angeklagten ohne weiteres möglich gewesen, pünktlich zu dem Verhandlungstermin zu erscheinen. Außerdem sei der Angeklagte entgegen seines Vorbringens erst um 09.50 Uhr im Sitzungssaal erschienen, nachdem sein Verteidiger im Rahmen des vorherigen Telefonats lediglich eine 20-minütige Verspätung angekündigt habe.
Gegen diesen dem Angeklagten am 27.03.2013 zugestellten Beschluss hat der Angeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 03.04.2013, eingegangen per Telefax bei dem Landgericht B. am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist er auf seinen Schriftsatz vom 20.03.2013 und vertritt mit weiterem Schriftsatz vom 28.06.2013 die Auffassung, dass das Landgericht B. den Begriff der genügenden Entschuldigung zu eng ausgelegt habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Senat die Akten mit dem Antrag vorgelegt, die sofortige Beschwerde gegen die abgelehnte Wiedereinsetzung zu verwerfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 329 Abs. 3, 46 Abs. 3 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig und begründet. Das Landgericht B. hat die Anforderungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen ein Verwerfungsurteil gemäß § 329 Abs. 1 StPO überspannt.
1.
Das Wie...