Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: anpassungsfähige Anrechte
Leitsatz (amtlich)
1. Die VBL als Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes fällt nicht unter die in § 32 VersAusglG abschließend aufgeführten "anpassungsfähigen Anrechte", weil sie nicht zu den sog. Regelsicherungssystemen gehört. Damit kann dieses Versorgungsanrecht nicht Gegenstand einer Anpassung wegen Unterhalt nach § 33 VersAusglG sein.
2. Trotz gewisser verfassungsrechtlicher Bedenken kann eine Verfassungswidrigkeit nicht angenommen werden.
Normenkette
VersAusglG §§ 32-33
Verfahrensgang
AG Siegburg (Beschluss vom 22.08.2011; Aktenzeichen 324 F 153/09) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 4. (VBL) vom 8.9.2011 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Siegburg vom 22.8.2011 (324 F 153/09) dahin abgeändert, dass nur die Kürzung der Versorgung des Antragstellers bei der Beteiligten zu 3. ausgesetzt wird, nicht hingegen auch die Versorgung bei der Beteiligten zu 4. (VBL).
2. Hinsichtlich der ersten Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung des Amts-gerichts. In der Beschwerdeinstanz werden Gerichtskosten nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Auf die gem. §§ 58 ff., 63 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde des Versorgungsträgers ist der angefochtene Beschluss antragsgemäß dahin abzuändern, dass die Aussetzung der Kürzung der laufenden Versorgung des Antragstellers gem. § 33 VersAusglG bei der Beteiligten zu 4. (VBL) unterbleibt.
Die Anpassung wegen Unterhalt nach § 33 VersAusglG ist nach der gesetzlichen Regelung in § 32 VersAusglG ausdrücklich für die dort unter Nr. 1 - Nr. 5 "abschließend" (BT-Drucks. 16/10144, 72) aufgeführten Versorgungen, die sog. Regelsicherungssysteme vorgesehen (BT-Drucks. 16/10144, 71; FA-FamR/Gutdeutsch/Wag- ner, 8. Aufl., Kap. 7 Rz. 224). Darunter fällt die VBL als Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes - wie bisher in § 5 VAHRG - nicht (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Familienrecht, 5. Aufl., § 32 Rz. 3; MünchKomm/BGB/Gräper, 5. Ausl., § 32 VersAusglG Rz. 18), weil diese als betriebliche Altersversorgung privatrechtlich organisiert ist (Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rz. 926, 934 aE; Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rz. 869). Eine entsprechende Anwendung (Ruland, a.a.O., Rz. 937 ausdrücklich nur für die Zusatzversorgung in der Land- und Forstwirtschaft, weil diese öffentlich-rechtlich organisiert ist) kommt jedenfalls wegen der abschließenden Aufzählung nicht in Betracht (Breuers in jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010 - Stand 27.6.2011 - § 32 VersAusglG Rz. 10 und § 33 Rz. 12; BeckOK/Gutdeutsch, Stand 1.11.2011, § 32 VersAusglG Rz. 3). Nach der Gesetzesbegründung kommen "im Bereich der ergänzenden Altersvorsorge ... die Anpassungsvorschriften grundsätzlich nicht zur Anwendung. Die Nr. 1 bis 5 nennen deshalb nur öffentlich-rechtliche Versorgungsträger" (BT-Drucks. 16/10144, 71).
Die verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Ruland, a.a.O., Rz. 928 f.; Bergner, NJW 2009, 1169, 1174; weitere Nachweise bei Erman/Norpoth, 12. Aufl., § 32 VersAusglG Rz. 11) sind durchaus erwägenswert (zweifelnd auch Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rz. 869 sowie Hoppenz, Familiensachen, 9. Aufl., § 32 VersAusglG Rz. 1 und Norpoth, a.a.O.). Die gewinnorientierten privatrechtlichen Versorgungssysteme unterscheiden sich aber von den auf Solidarität gründenden Regelsicherungssystemen (Gutdeutsch/Wagner, a.a.O.) und unterliegen nach herkömmlicher Auffassung keiner Drittwirkung der Grundrechte; vielmehr würde in ihr Eigentum und das ihrer Versicherten eingegriffen, wenn eine Aussetzung der Kürzung der Versorgung durch das Familiengericht angeordnet würde (Hahne, a.a.O.; Gutdeutsch, a.a.O., Rz. 4).
Der Senat sieht jedenfalls keine Veranlassung, die Verfassungswidrigkeit anzunehmen und das Verfahren gem. Art. 100 GG dem BVerfG vorzulegen (ebenso OLG Stuttgart - 18 UF 107/11 - B. vom 16.6.2011 = juris Rz. 8). Vielmehr ist § 33 VersAusglG im Hinblick auf § 32 VersAusglG auf eine Altersversorgung bei der VBL nach jetzigem Rechtszustand (vgl. aber Deisenhofer, FamRZ 2011, 1122, 1123 zur Empfehlung des 18. Deutschen Familiengerichtstags auf Gesetzesänderung) nicht anwendbar.
Die zweitinstanzliche Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswert folgt aus §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG.
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 70 FamFG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Jedenfalls in der Literatur werden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Eine höchstrichterliche Entscheidung wäre zur endgültigen Klärung dieser Frage wünschenswert und würde zur Rechtssicherheit beitragen.
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen...