Verfahrensgang
AG Köln (Entscheidung vom 09.05.2000) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen.
Gründe
Die Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, der wie folgt begründet worden ist:
" 1)
Soweit mit ihr ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 245 Abs. 1 StPO gerügt wird, ist diese Rüge nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO ordnungsgemäß ausgeführt und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung. Denn im Hauptverfahren vor dem Amtsgericht ist gegen § 245 Abs. 1 StPO verstoßen worden, und es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass das angefochtene Urteil auf diesem Fehler beruht.
Das Gericht hat den Zeugen C. zur Hauptverhandlung geladen (Bl. 160 R d.A. 43 Js 248/98 - StA Köln = EA). Dieser ist auch zum Hauptverhandlungstermin erschienen (Bl. 163 EA). Gemäß § 245 Abs. 1 S. 1 muss ein solcher Zeuge in der Hauptverhandlung gehört werden (es sei denn - wofür es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte gibt - die Beweiserhebung wäre unzulässig). Hiervon kann lediglich nach Satz 2 der Vorschrift abgesehen werden, wenn Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Angeklagter damit einverstanden sind. Dieses Einverständnis muss von allen Beteiligten erklärt werden, bloßes Stillschweigen reicht diesbezüglich nicht aus (Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., Rn. 11 zu § 245). Eine solche Verzichtserklärung der Verteidigerin hat es nach Angaben in der Revisionsbegründung nicht gegeben. Zwar ist für die Frage, was in der Hauptverhandlung als geschehen zu gelten hat, die Niederschrift maßgeblich. In ihr sind entsprechende Verzichtserklärungen nicht protokolliert; dies indiziert jedenfalls, dass es solche Erklärungen nicht gegeben hat. In der Niederschrift heißt es jedoch (Bl. 192 EA): "Auf Vernehmung des Zeugen C. wird verzichtet." Diese Eintragung ist nicht eindeutig und deswegen - unbeschadet ihrer Beweiskraft - der Auslegung zugänglich (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., Rn. 5 zu § 274). Der passivische Wortlaut lässt offen, wer von den Verfahrensbeteiligten auf die Vernehmung verzichtet hat. Indes ist in der Niederschrift an anderen Stellen akribisch festgehalten worden, wenn - etwa auf Verteidigung - in allseitigem Einverständnis verzichtet worden ist (Bl. 170 R, 177 R, 178 EA). Dies spricht dafür, dass bei der Vernehmung des Zeugen C. eben nicht in allseitigem Einverständnis verzichtet worden ist. Entscheidend aber ist, dass die Verteidigerin unmittelbar vor der protokollierten Entscheidung, auf die Vernehmung des Zeugen C. zu "verzichten", gerade diesen Zeugen hat vernehmen lassen wollen (Bl. 191 EA). Es erscheint ausgesprochen fern liegend, dass die ansonsten engagierte Verteidigerin kurz danach auf die Vernehmung ausdrücklich verzichtet haben soll. Nach alledem ist der Vermerk in der Niederschrift nicht als Protokollierung eines allseitigen Verzichts zu verstehen; vielmehr sagt sie aus, dass das Gericht von der Vernehmung des Zeugen abgesehen hat. Dies aber widerspricht § 245 Abs. 1 StPO.
Auf diesem Verfahrensfehler kann das Urteil auch beruhen, denn es ging bei der Schuldfrage maßgeblich um die Glaubwürdigung der Angeklagten, zu der sich der Zeuge C. äußern sollte. Anders als etwa bei den mit zweifelhafter Begründung abgelehnten Anträgen der Verteidigerin auf Vernehmung eines Mitarbeiters der Firma J. und auf nochmalige Vernehmung des Zeugen R. hat das Gericht die möglichen Aussagen des Zeugen C. im Urteil nicht als wahr unterstellt, was gegen ein Beruhen des Urteils auf dem Fehler sprechen würde. Vielmehr wird im Urteil (UA S. 11) ausdrücklich die Möglichkeit genannt, dass die Angeklagte sich gegenüber dem Zeugen C. anders geäußert haben könnte als im Ermittlungsverfahren. Für diesen Fall hätte die Aussage des Zeugen C. unter Umständen selbst nach den amtsrichterlichen Ausführungen im Urteil Bedeutung gehabt. Daher ist nicht auszuschließen, dass das Urteil auf der fehlerhaft unterlassenen Beweiserhebung im Sinne von § 337 StPO beruhen könnte. Etwas anderes kann sich auch nicht daraus ergeben, dass es in der Urteilsbegründung heißt, der Zeuge C. sei "nur im Hinblick auf einen möglichen erheblichen Beweisantrag vorbereitend geladen" worden (UA S. 11). Auch eine solche Ladung ist eine gerichtliche, die an den Voraussetzungen des § 245 Abs. 1 StPO zu messen ist.
2)
Das Urteil beruht überdies auf einem Verstoß gegen § 261 StPO. Denn indem das Tatgericht in seine Entscheidungsfindung auch die Aussage des zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung verstorbenen Zeugen C. einbezogen hat (UA S. 4), hat es seine Überzeugung jedenfalls teilweise nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft. Denn es hat Umstände zur Grundlage des Urteils gemacht, die nicht auf verfahrensrechtlich vorgeschriebenem Weg in die Verhandlung eingeführt worden sind. Entgegen den Ausführungen in der Urteilsbegründung ist die Aus...