Entscheidungsstichwort (Thema)
"TOP-Angebot" auf autoscout24
Leitsatz (amtlich)
Die irrtümliche Angabe des Kilometerstandes in einem Gebrauchtwagenangebot auf einer Internetplattform (2.040 statt 204.032 km) stellt sich als irreführend dar, wenn diese Angabe aufgrund des Algorithmus der Plattform zu einer blickfangmäßig herausgestellten Bewertung als "TOP-Angebot" führt, auch wenn der Verkehr die Diskrepanz zwischen dem Kaufpreis und der angeblich geringen Laufleistung sofort erkennt oder auf einem eingestellten Foto den wahren Tachostand erkennen kann.
Normenkette
UWG § 5 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 11 O 78/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 07.01.2020 - 14 O 151/19 - abgeändert und es werden dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Gegenstandswert: Summe der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten erster Instanz
Gründe
Der Beklagte bewarb auf der Plattform autoscout24.de einen Pkw Golf unter Angabe eines Km-Standes von 2.040 km für 1.100 EUR. Das Angebot war von Autoscout als "TOP ANGEBOT" ausgewiesen. Tatsächlich betrug der Kilometerstand 204.032 km. Dieser ergab sich auch aus der in das Angebot eingefügten Ablichtung des Tachometers.
Nachdem der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung sowie die vorgerichtlichen Kosten erstattet hatte und die Parteien den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt haben, hat das Landgericht im angefochtenen Beschluss die Kosten nach § 91a ZPO dem Kläger auferlegt, mit der Begründung, dass eine Irreführung nicht vorliege, jedenfalls nicht spürbar sei. Der angesprochene Verkehr würde aufgrund der Diskrepanz den offensichtlichen Eingabefehler erkennen und würde weiter auch durch das Foto vom Tachometer ausreichend aufgeklärt. Daran ändere auch die Bewertung als "TOP ANGEBOT" nichts, weil der Verkehr offensichtlich nicht von einem ernstgemeinten Angebot ausgehen werde.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Nachdem beide Parteien das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Verfahrenskosten nach § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Im Regelfall kommt es für die Frage der Kostentragung darauf an, wer - ohne die Erledigungserklärung - nach dem bisherigen Sach- und Streitstand obsiegt hätte.
2. Vorliegend wäre der Beklagte ohne die Erledigungserklärungen nach dem bisherigen Sach- und Streitstand unterlegen. Denn dem Kläger stand ein Unterlassungsanspruch aus den §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG zu.
a. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung enthält. Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft. Sie ist irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.2015 - I ZR 136/13, GRUR 2015, 906 - TIP der Woche, mwN).
Die Frage, ob eine Angabe irreführend ist, richtet sich nach dem Verständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Mitgliedes des angesprochenen Verkehrskreises (BGH, Urt. v. 2.10.2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250 - Marktführerschaft; Urt. v. 7.7.2005 - I ZR 253/02, GRUR 2005, 877 - Werbung mit Testergebnis). Dabei muss sich die Irreführungsgefahr nicht bei der Gesamtheit des Verkehrs realisieren. Ausreichende, aber zugleich notwendige Voraussetzung ist vielmehr der Eintritt der Gefahr der Irreführung bei einem erheblichen Teil des von der Werbeaussage angesprochenen Verkehrskreises. Das ist im Wege einer Prognoseentscheidung anhand der normativ zu bewertenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport, mwN).
b. Adressaten der streitgegenständlichen Werbung sind (potenzielle) Kunden von Gebrauchtwagen. Zu diesen allgemeinen Verkehrskreisen gehört auch der zur Entscheidung berufene Senat, so dass der Senat die Verkehrsauffassung selbst beurteilen kann (vgl. BGH GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport).
c. Es kann dahin gestellt bleiben, ob ein potenzieller Käufer, der die Angabe über den Km-Stand im Text sieht, diese schon deshalb nicht ernst nimmt, weil ein Kaufpreis von 1.100 EUR bei einem Km-Stand von nur 2.040 Km völlig abwegig ist und er darin sofort einen Fehler erkennen wird.
d. Weiter kann dahingestellt bleiben, ob derjenige, der die Diskrepanz nicht unmittelbar von sich aus erkennt, durch das Bild des Tachometers ausreichend darauf hingewiesen und aufgeklärt wird, dass der Km-Stand tatsächlich 204.032 Km beträgt und somit ein etwaiger Irrtum hinreichend und rechtzeitig ...