Leitsatz (amtlich)
Auch bei überwiegendem Freispruch können dem Angeklagten alle Verfahrenskosten aufleget werden
Einen Angeklagten kann auch bei überwiegendem Freispruch (hier: in 20 von 21 Fällen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes) mangels ausscheidbarer Kosten die volle Kostenlast treffen. Hierbei ist nach der Differenztheorie zu prüfen ist, welche Kosten und Gebühren entstanden wären, wenn die Anklage von vornherein so gelautet hätte wie das Urteil. Eine Kostenquotelung im Verhältnis der angeklagten Fälle zur letztendlichen Verurteilung kommt nicht in Betracht.
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts K. vom 15.02.2006 wegen sexuellen Kanzelmissbrauchs in einem Fall unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung wegen Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Vom Vorwurf weiterer 20 Missbrauchstaten wurde er freigesprochen. Nach der Kostenentscheidung fallen die Verfahrenskosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Umfang des Freispruchs der Staatskasse zur Last, während sie im Umfang der Verurteilung von ihm selbst zu tragen sind. Mit (korrigierter) Kostenrechnung vom 23.07.2008 sind dem Verurteilten von der Staatsanwaltschaft K. die gesamten im Verfahren entstandenen Gebühren und Auslagen in Höhe von 60.107,32 EUR in Rechnung gestellt worden, wovon der weit überwiegende Teil in Höhe von 46.374,42 EUR auf Vergütungen von Sachverständigen entfällt. Wegen der Zusammensetzung des Betrages im übrigen wird auf den Kostenansatz Bezug genommen.
Gegen den Kostenansatz hat der Verurteilte mit Verteidigerschriftsatz vom 19.08.2008 Einwendungen erhoben, die das Landgericht als Erinnerung gewertet hat. Diese hat das Landgericht mit Beschluss vom 15.10.2008 als unbegründet erachtet, lediglich einen vom Verurteilten bereits gezahlten Betrag von 1.600 EUR abgesetzt und ist so zu dem Betrag von 58.457,32 EUR gelangt. Gegen diese Entscheidung hat der Verurteilte mit Verteidigerschriftsatz vom 25.02.1999 Beschwerde eingelegt, mit der vorgebracht wird, es könne angesichts des Freispruchs in der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle nicht sein, dass er die gesamten Kosten müsse. Die einzige letztlich abgeurteilte Tat wäre mutmaßlich vor dem Amtsgericht angeklagt worden, was zu entsprechend geringeren Gerichtskosten und (übergegangenen) Anwaltsgebühren der Nebenklage geführt hätte. Zur Aufklärung dieser einen Tat wäre der Umfang der Beweisaufnahme mit 16-tägiger Hauptverhandlung nicht erforderlich gewesen. Der Verurteilte hält im Ergebnis entsprechend dem Verhältnis von Freispruch und Verurteilung eine Freistellung von den Kosten in Höhe von 20/21 für angemessen.
Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 03.04.2009 nicht abgeholfen. Die Akten sind dem Senat erst unter dem 14.05.2010 vorgelegt worden.
II.
Das nach § 66 Abs. 2 GKG als nicht fristgebundene einfache Beschwerde statthafte Rechtsmittel, mit dem der Beschwerdewert von 200 EUR erreicht wird, bleibt ohne Erfolg.
1.
Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist die - bindende - Kostenentscheidung im Urteil vom 15.02.2006. Das Landgericht hat insoweit von einer nach § 464 d StPO zulässigen Bruchteilsentscheidung abgesehen und entschieden, die Feststellung von bezogen auf die Freisprechungsfälle ausscheidbaren Kosten dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464 b StPO zu überlassen, in welchem nach der Differenztheorie zu prüfen ist, welche Kosten und Gebühren entstanden wären, wenn die Anklage von vorneherein so gelautet hätte wie das Urteil (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 465 Randnr. 8 m.w.N.) Die - wohl auch nur rein ergebnisorientiert geäußerte - Vorstellung des Verurteilten von einer Kostenquotelung im Verhältnis von 1/21 zu 20/21 zu seinen Gunsten ist daher schon im Ansatz verfehlt.
2.
Die aufgrund der Differenztheorie vorzunehmende Prüfung ergibt, dass ausscheidbare Kosten nicht feststellbar sind. Das hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, der Senat tritt dem bei.
Im einzelnen gilt zu den mit der Beschwerde erhobenen Einwendungen folgendes:
a.
Es kann nicht angenommen werden, dass wegen des Verurteilungsfalles, wenn nur dieser verfolgt worden wäre, Anklage zum Schöffengericht erhoben worden wäre. Der Vorwurf im Fall 21 der Anklage lautete auf schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes gem. § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB. Dass die Strafkammer sich von einem schweren Fall nicht hat überzeugen können und nur den - durch sog. Schenkelverkehr bis hin zum Samenerguss auf die entblößte Vagina des zur Tatzeit 11 Jahre alten Opfers verwirklichten - Grundtatbestand des sexuellen Missbrauchs nach § 176 Abs. 1 StGB für bewiesen erachtet hat, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Die Auffassung der Verteidigung, der dem Verurteilten vorgeworfene Fall hätte durch Strafbefehl erledigt werden können, erscheint abwegig.
Zwar mag eine die Strafgewalt des Amtsgerichts übersteigende Straferwartung eine Anklage wegen des Falles 21 zum Landgericht nicht zwingend erfordert haben. Die...