Normenkette
StPO § 117 Abs. 4 S. 1, § 118a Abs. 2 S. 3, §§ 140, 244 Abs. 2-5, §§ 350, 408b, 411 Abs. 2, 2 S. 2, § 418 Abs. 2, 4, § 419 Abs. 1 S. 2, §§ 420, 420 Abs. 4; RVG § 33 Abs. 6, 8, § 56 Abs. 2; StGB § 56f
Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 27.07.2009; Aktenzeichen 66 Qs 42/09) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird verworfen.
Die Entscheidung ergeht frei von Gerichtsgebühren; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der anwaltlich nicht vertretene Angeklagte ist in einem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren wegen Betruges zum Hauptverhandlungstermin vom 14.4.2008 unentschuldigt nicht erschienen. Nachdem die Staatsanwaltschaft den Erlass eines Strafbefehls beantragt hatte, ist dem Angeklagten Rechtsanwalt H. gemäß 408 b StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Sodann ist durch Strafbefehl gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten festgesetzt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Der Pflichtverteidiger hat die Akten eingesehen und gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt. Nachdem der Angeklagte sich auf die erbetene Rücksprache nicht gemeldet hatte, hat er den Einspruch mit Schriftsatz vom 15.5.2008 zurückgenommen. Das Amtsgericht Aachen hat den Einspruch durch Urteil vom 2.2.2009 verworfen.
Am 15.05.2009 hat der Pflichtverteidiger eine Kostenrechnung über 447,44 EUR erstellt, die eine Grundgebühr, eine Verfahrensgebühr und eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG beinhaltet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Amtsgericht Aachen hat durch Beschluss vom 5.6.2008 nur die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4302 Ziff. 3 VV RVG zuerkannt. Gegen die ihm am 12.6.2008 zugestellte Kostenfestsetzung in Höhe von insgesamt 152,32 EUR hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 12.6.2008, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, Erinnerung eingelegt. Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Das Amtsgericht Aachen hat durch Beschluss vom 4.5.2009 die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Verteidigers hat die 6. große Strafkammer des Landgerichts Aachen in der Besetzung mit drei Richtern durch Beschluss vom 27.7.2009 (Az. 66 Qs 42/09) unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die dem Pflichtverteidiger zu zahlende Vergütung auf 314,16 EUR festgesetzt. Darin sind berücksichtigt:
Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG |
132,00 EUR |
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4106 VV RVG |
112,00 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
264,00 EUR |
Umsatzsteuer |
50,16 EUR |
Endsumme |
314,16 EUR |
Zugleich hat die Strafkammer die weitere Beschwerde zugelassen.
Gegen den ihm am 31.7.2009 zugestellten Beschluss hat der Bezirksrevisor mit Schreiben vom 6.8.2009, das am 7.8.2009 beim Landgericht Aachen eingegangen ist, weitere Beschwerde eingelegt und die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung beantragt. Er vertritt die Ansicht, die Tätigkeit des Pflichtverteidigers sei nach § 408 b StPO als Einzeltätigkeit zu vergüten.
II.
Da die Strafkammer nicht durch den Einzelrichter entschieden hat, hat gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 RVG auch der Senat durch drei seiner Mitglieder zu entscheiden.
Die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Die Strafkammer hat zu Recht die Tätigkeit des nach § 408 b StPO beigeordneten Verteidigers nicht als Einzeltätigkeit gewertet.
1.
Allerdings ist hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Beiordnung nach § 408 b StPO davon auszugehen, dass diese nicht mit der Einlegung des Einspruchs endet, sondern auch für das weitere Hauptverfahren gilt. Es werden insoweit verschiedene Ansichten vertreten.
Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Höxter vom 26.7.1994 (StV 1995, 519) soll die Bestellung des Pflichtverteidigers bis zur Entscheidung über den Erlass oder Nichterlass des beantragten Strafbefehls befristet werden.
Nach einer weitergehenden Ansicht gilt die Bestellung des Pflichtverteidigers nicht für das weitere Verfahren nach Einspruch gegen den Strafbefehl (OLG Düsseldorf NStZ 2002, 390; AG Höxter StV 1995, 519; Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 408 b Rdn. 6 m.w.N.; Metzger in KMR, § 408 b StPO, Rdn. 10; Pfeiffer, StPO, 5. Auflage, § 408 b Rdn. 4; Hohendorf MDR 1993, 598; Lutz NStZ 1998, 395).
Nach einer dritten Ansicht wirkt die Verteidigerbestellung über den Zeitpunkt des Einspruchs hinaus (Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 408 b Rdn. 12, Fischer in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage, § 408 b Rdn. 8; Loos in Alternativ Kommentare, 1996, § 408 b Rdn. 4; Böttger in Anwaltskommentar, StPO, § 408 b Rdn. 9; Weßlau in Systematischer Kommentar zur StPO und zum GVG, § 408 b Rdn. 10; Kurth in Heidelberger Kommentar, StPO, 3. Auflage, § 408 b Rdn. 6; Brackert/Staechelin StV 1995, 547; Böttcher/Mayer NStZ 1993, 153, 156; Schellenberg NStZ 1994, 570; Sigismund/Wickern, wistra 1993, 91), wobei wiederum unterschiedlich beurteilt wird, ob die Beiordnung nur die ...