Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung trotz ungünstiger Prognose bei unterbliebenen Lockerungen.
Tenor
I. Der angefochtene Beschluss wird abgeändert:
Die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus dem Urteil des Landgerichts Aachen vom 4.1.1993 (Az. 61 KLs - 50 Js 134/92 - 70/92) wird zur Bewährung ausgesetzt.
Der Untergebrachte ist am 30. April 2010 zu entlassen.
1. Mit der Aussetzung der Maßregel tritt die Führungsaufsicht ein.
2. Die Dauer der Führungsaufsicht wird auf 5 Jahre festgesetzt.
3. Für die Dauer der Führungsaufsicht untersteht der Untergebrachte der zuständigen Aufsichtsstelle bei dem Landgericht Aachen.
4. Der Untergebrachte wird für die Dauer der Führungsaufsicht der Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers unterstellt, dessen Auswahl und Bestellung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen übertragen wird.
5. Der Verurteilte wird angewiesen,
a. seinen Wohnsitz in einer von der Strafvollstreckungskammer Aachen zu bestimmenden Einrichtung des stationären oder ambulanten betreuten Wohnens zu nehmen und sie über jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich zu informieren,
b. den Bewährungshelfer umfassend und wahrheitsgemäß über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu unterrichten und ihm unverzüglich sämtliche bei ihm eingehenden Rechnungen und Mahnungen vorzulegen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der darin dem Untergebrachten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Der jetzt 65 Jahre alte Beschwerdeführer befindet sich seit seiner vorläufigen Festnahme am 19.9.1992 ununterbrochen in Unfreiheit. Seit dem 20.3.2003 wird gegen ihn die durch Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgericht Aachen vom 4.1.1993 (Az. 61 KLs - 50 Js 134/92 - 70/92) angeordnete Sicherungsverwahrung vollstreckt.
Zum bisherigen Lebensweg des Verurteilten, seinen Vorstrafen, der Anlassverurteilung und dem derzeitigen Vollstreckungsstand wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Darstellung im angefochtenen Beschluss verwiesen.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen hat seit 2004 im Rahmen der Prüfungsfristen des § 67 e StGB die weitere Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung für notwendig erachtet.
Mit Schreiben vom 4.8.2008 hat der Verurteilte beantragt, zur Vorbereitung einer bedingten Entlassung ein Gutachten erstellen zu lassen.
Daraufhin hat im Auftrag der Strafvollstreckungskammer die Sachverständige Dr. N unter dem 11.2.2009 ein fachpsychiatrisches und kriminalprognostisches Gutachten zu der Frage erstattet, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung noch erfordert, insbesondere ob vom Verurteilten aufgrund seines Hanges weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat es die Strafvollstreckungskammer erneut abgelehnt, die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung auszusetzen. Der Beschluss ist dem Verteidiger am 18.9.2009 zugestellt worden. Hiergegen richten sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 16.9.2009, Eingang beim Landgericht am 21.9.2009, und des Verteidigers vom 28.9.2009, Eingang beim Landgericht 30.9.2009.
II.
Die nach §§ 463 Abs. 1 und 3, 454 Abs. 3 S. 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist mit Schreiben des Untergebrachten vom 16.9.2009 innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden.
Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
1.
Der Senat kann dem Untergebrachten in Übereinstimmung mit der Strafvollstreckungskammer, auf deren Ausführungen insoweit verwiesen wird, zwar derzeit keine günstige Prognose stellen. Schon der Umfang der bisherigen Straftaten, teilweise aus der durch Urteil des Landgerichts Aachen vom 26.3.1976 angeordneten ersten Sicherungsverwahrung heraus begangen, das Bewährungsversagen und der nahezu umgehende Rückfall im Jahre 1991 nach fast 17 Jahren der Unfreiheit zeigen das Risiko erneuter Straffälligkeit. Eine durchgreifende Veränderung der Persönlichkeit ist nicht eingetreten. Der psychiatrische Sachverständige Dr. F hat im Ausgangsverfahren 61 KLs 70/92 u.a. ausgeführt, der Angeklagte sei durch hyperthyme Züge mit eher gehobener Grundstimmung, ein positives, kaum erschütterbares Selbstbild, eine deutliche Neigung, eigene Fähigkeiten zu überschätzen, ein manchmal unvorsichtiges und unkritisches Denken ohne Hinweise auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Realität geprägt. Auffallend sei sein Geltungsbedürfnis und die mit einem selbstbewussten Auftreten einhergehende starke Suggestivität. Er verstehe es geschickt, sich auf seine Gesprächspartner einzustellen und diese für sich einzunehmen. Er nutze sie dann recht schnell für die Durchsetzung seiner Interessen aus. Sein Geltungsbedürfnis äußere sich in Egozentrik, Mangel an Aufrichtigkeit und Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen, insbesondere gegenüber fremdem Besitz und Eigentum. Das Persönlichkeitsbild des durchaus...