Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 13.09.2017) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aachen vom 13. September 2017 wird als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Aachen hat den Angeklagten am 10. Februar 2017 wegen schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit versuchter Nötigung in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht in Anwendung des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO verworfen.
Die Revision des Angeklagten erhebt zwei Verfahrensbeanstandungen und rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zu den Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft gemäß Vorlageverfügung vom 15. Mai 2018 ist auszuführen:
1.
Die Zustellung der Ladung zum Hauptverhandlungstermin vom 13. September 2017 ist wirksam erfolgt.
a)
Diese ist dem Angeklagten unter der im Rubrum angegebenen Anschrift in der Weise zugestellt worden, dass die Ladung selbst in einer Postfiliale hinterlegt und eine Benachrichtigung hierüber in den zu der Anschrift gehörenden Briefkasten eingelegt worden ist. Unter der Anschrift "H 1 - 3" betreibt der X e. V., ein Verein zur Unterstützung von Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, eine sog. "Wärmestube", die als Anlaufstelle für ansonsten obdachlose Männer und Frauen vormittags Aufenthaltsmöglichkeiten, die Möglichkeit der Nahrungsaufnahme, Gesundheitsvorsorge, die Verwahrung von Wertsachen und namentlich auch die Erreichbarkeit durch Einrichtung einer Postadresse anbietet.
Dem zuvor obdachlosen Angeklagten, der am 30. März 2017 - ausschließlich, um eine im Vollzug nicht mögliche medizinische Anschlussbehandlung nach einem Herzinfarkt durchführen lassen zu können - aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, war im Haftverschonungsbeschluss aufgegeben worden, sich unverzüglich um eine Wohnung zu bemühen, entsprechende Bemühungen dem Gericht unaufgefordert nachzuweisen und die Adresse seiner gefundenen Wohnung mitzuteilen. Unter dem 10. April 2017 richtete der Abteilungsrichter an den Verteidiger die Anfrage, ob von dort die neue Anschrift des Beschuldigten mitgeteilt werden könne und versah diese Anfrage mit dem Zusatz: "Auf Ziffer a des Außervollzugsetzungsbeschlusses vom 28.03.2017 wird Bezug genommen". Hiermit bezog er sich auf die vorstehend dargelegte Auflage. Mit Schriftsatz vom 21. April 2017 teilte der Verteidiger die "neue Anschrift" wie im Rubrum angegeben mit. Freibeweisliche Ermittlungen der Berufungsstrafkammer im Hauptverhandlungstermin ergaben, dass der Angeklagte vom 10. April bis 28. Juli 2017 unter der angegebenen Anschrift eine Postadresse besaß.
b)
Unter diesen Umständen kann der Zustellung der Terminsladung die Wirksamkeit nicht versagt werden:
Gemäß § 37 Abs. 1 StPO gelten für das Verfahren bei Zustellungen die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Gemäß § 178 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO kann in dem Falle, dass der Zustellungsempfänger in einer Gemeinschaftseinrichtung wohnt, dort aber nicht angetroffen wird, dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter zugestellt werden. Ist die Zustellung auf diesem Wege nicht ausführbar, kann das zuzustellende Schriftstück bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niedergelegt und über die Tatsache der Niederlegung eine schriftliche Mitteilung in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben werden (§ 181 Abs. 1 ZPO). Die Zustellung gilt dann mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als bewirkt (§ 181 Abs.1 S. 4 ZPO).
aa)
Bei der Wärmestube der X e.V. handelt es sich zunächst um eine vom Gesetz gemeinte Gemeinschaftseinrichtung, hierzu zählen grundsätzlich auch Obdachlosenunterkünfte (MüKo-StPO-Valerius, § 37 Rz. 27; SSW-StPO-Mosbacher/Claus, 3. Auflage 2018, § 37 Rz. 35).
bb)
Der Angeklagte hat unter der Anschrift der Wärmestube auch im Zeitpunkt der Zustellung im Sinne der Zustellungsvorschriften "gewohnt".
Der Begriff der Wohnung im Sinne des Zustellungsrechts ist geprägt durch das Interesse des Zustellungsveranlassers an zeitnaher Kenntnisnahme des Inhalts des zuzustellenden Schriftstücks durch den Zustellungsempfänger bei gleichzeitiger Wahrung der Belage des Adressaten. Diese gebieten es, im Ausgangspunkt auf die tatsächlichen Verhältnisse, d. h. dessen räumlichen Lebensmittelpunkt abzustellen. Nicht maßgebend ist daher der Wohnsitzbegriff des § 7 BGB oder die polizeiliche Meldung. Anknüpfungspunkt ist vielmehr die tatsächliche Benutzung einer Wohnung , weil damit grundsätzlich auch die Möglichkeit einhergeht, in zumutbarer Weise von zugestellten Sendungen Kenntnis zu nehmen (so insgesamt MüKo-ZPO-Häublein, 5. Auflage 2016, § 178 Rz. 5 m N.; Wieczorek/Schütze-Rohe, ZPO, 4. Auflage 2...