Leitsatz (amtlich)

Der Ausschluss der weiteren Bescherde durch § 335 Abs. 5 Satz 6 HGB verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Europäisches Recht; er wirft insoweit auch keine zweifelhaften oder klärungsbedürftigen Fragen auf.

 

Normenkette

AEUV Art. 267; EMRK Art. 6; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1; HGB § 335

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 21.09.2010; Aktenzeichen 12 T 220/10)

 

Tenor

Die an das OLG Köln gerichtete weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 25.10.2010 gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des LG Bonn vom 21.9.2010 - 12 T 220/10 - wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Das an das OLG Köln gerichtete und hier am 25.10.2010 eingegangene Rechtsmittel der Beschwerdeführerin vom gleichen Tage ist unzulässig. Das LG hat im Verfahren nach § 335 Abs. 5 HGB entschieden. In diesem Verfahren endet der Rechtsmittelzug bei dem LG. Ein Rechtsmittel gegen dessen Entscheidung schließt das Gesetz ausdrücklich aus, § 335 Abs. 5 Satz 6 HGB. An diese eindeutige gesetzliche Regelung ist der Senat gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. OLG Köln, FGPrax 2009, 126).

Daran vermag die Rüge der Beschwerdeführerin, das LG habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, nichts zu ändern. Ist - wie hier - nach der gesetzlichen Regelung gegen die Entscheidung eines Gerichts kein Rechtsmittel gegeben, ist die Rüge, dieses Gericht habe den Anspruch eines Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, vielmehr bei diesem Gericht selbst, hier also bei dem LG, mit einer Anhörungsrüge (hier nach § 29a Abs. 1 FGG bzw. nach § 44 Abs. 1 FamFG, jeweils i.V.m. § 335 Abs. 4 HGB) geltend zu machen (vgl. auch OLG Köln, FGPrax 2009, 126). Dagegen schließt es der von dem BVerfG betonte Grundsatz der Rechtsmittelklarheit aus, ein im Gesetz nicht vorgesehenes oder - wie hier - von dem Gesetz sogar ausdrücklich ausgeschlossenes Rechtsmittel zuzulassen (vgl. BVerfG - Plenum - BVerfGE 107, 395 [416 f.]; BVerfGK 2, 213 [218]; BGH NJW 2005, 294 [295]; OLG Köln OLGReport Köln 2005, 251 [252]; OLG Köln OLGReport Köln 2005, 253; OLG Köln, FGPrax 2009, 286 [287]; OLG Köln, NJW-RR 2010, 287; Senat, Beschl. v. 16.4.2009 - 2 Wx 40/09 -, juris). Da das OLG im Verfahren nach § 335 Abs. 5 HGB nach der ausdrücklichen Regelung des Gesetzes nicht angerufen werden kann, ist es nicht der gesetzliche Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) zur Überprüfung der Entscheidung oder der Verfahrensweise des LG in der vorliegenden Sache.

Aus demselben Grund eröffnet auch die weitere Rüge der Beschwerdeführerin, das Verfahren des LG stehe nicht mit den Regeln des Rechts der Europäischen Union im Einklang, nicht einen vom Gesetz ausgeschlossenen Instanzenzug. Vielmehr gilt auch insoweit, dass etwaige Verstöße nur im Rahmen eines statthaften und zulässigen Rechtsmittels berücksichtigt werden können. Dies gilt auch dann, wenn das LG eine Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV - die Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer sprechen statt von dieser Bestimmung durchgehend noch von Art. 234 EGV - nicht beachtet haben sollte. Denn auch die Beurteilung dieser Frage ist nach der Regelung des § 335 Abs. 5 Satz 6 HGB der Überprüfung durch eine Rechtsmittelinstanz und damit insbesondere auch durch das von der Beschwerdeführerin angerufene OLG entzogen (vgl. OLG Hamm NZG 2003, 165 [166]). Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht - unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen - nur für das Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Dies ist im Verfahren nach § 335 Abs. 5 HGB das LG.

Die für die Verwerfung der weiteren Beschwerde als unzulässig allein erhebliche Bestimmung des § 335 Abs. 5 Satz 6 HGB verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Europäisches Recht. Ihre Anwendung wirft auch keine klärungsbedürftige Frage auf.

Aus doppeltem Grunde fehl geht zunächst die Auffassung der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin, § 335 Abs. 5 Satz 6 HGB sei im Licht der Europäischen Menschenrechtskonvention dahin auszulegen, dass das Gegenteil der gesetzlichen Regelung zutreffend und ein Rechtsmittel gegen die im Verfahren nach § 335 Abs. 5 HGB ergangene Beschwerdeentscheidung des LG gegeben sei. Zwar folgt nach der Rechtsprechung des BVerfG aus der Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) auch das Gebot, die Gewährleistungen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen (BVerfGE 111, 307 [324]; vgl. auch BGH NJW 2008, 223 [225]; BGH NJW 2010, 3315 [3316]). Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind - im Range eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 [370]; BVerfGE 82, 106 [120]). So lang...

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