Entscheidungsstichwort (Thema)
Falsche Auskunft über Besitzverhältnisse an Wohnung
Leitsatz (amtlich)
Aufgrund des Zuschlagsbeschlusses nach § 93 ZVG ist der Ersteigerer berechtigt, auch dann auf Kosten der Erben des Vollstreckungsschuldners die ersteigerte Wohnung räumen und die dort befindlichen Gegenstände wegschaffen zu lassen, wenn sich alle Schlüssel in Händen des Ersteigerers befinden, dieser aber seinen fehlenden Besitzwillen - etwa durch eine Räumungsaufforderung - deutlich macht.
Ein Rechtsanwalt, der den Erben die Auskunft erteilt, sie seien angesichts fehlenden eigenen Besitzes nicht zur Räumung verpflichtet, ist diesen gegenüber schadensersatzpflichtig, wenn die Erben vom Ersteigerer wegen Nutzungsausfalls in Anspruch genommen werden.
Normenkette
BGB §§ 280, 611, 856-857, 985, 1004; ZPO § 885; ZVG § 93
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 15.12.2010; Aktenzeichen 4 O 499/09) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das am 15.12.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Köln - 4 O 499/09 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
Der Erbengemeinschaft steht der vom LG auf die Klage des Klägers zuerkannte Schadensersatzanspruch i.H.v. 2.771,55 EUR zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten gegen den Beklagten zu.
Das LG hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten am 13.3.2009 stilschweigend ein Auskunftsvertrag mit Schutzwirkung für die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft zustande gekommen ist. Die Antwort des Beklagten durfte der Kläger nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des LG dahin verstehen, dass eine Verpflichtung zur Räumung und damit zur Entfernung der Gegenstände, die sich in der von der S. GmbH am 13.11.2008 ersteigerten Wohnung befanden, nicht bestand.
Die Auskunft des Beklagten war unzutreffend. Entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung hätte es der Zuschlagsbeschluss, der einen auf Räumung gerichteten Vollstreckungstitel darstellt (§§ 93 ZVG, 885 ZPO), der S. GmbH grundsätzlich ermöglicht, auf Kosten der Erbengemeinschaft die Wohnung räumen und die dort befindlichen Gegenstände einschließlich gelagerten Mülls wegschaffen zu lassen. Voraussetzung für eine Vollstreckung gem. § 885 ZPO ist, dass der Schuldner Besitzer der herauszugebenden oder zu räumenden unbeweglichen Sache ist (Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 885 Rz. 5 m.w.N.). Der von den Mitgliedern der Erbengemeinschaft gem. § 857
BGB mit dem Tod des Erblassers und Wohnungseigentümers (8.9.2008) erlangte Besitz an der Wohnung ist, obwohl der S. GmbH gegen Ende des Jahres 2008 unstreitig von Verwandten sämtliche Schlüssel zu der Wohnung überlassen worden sind und eine Schlüsselübergabe regelmäßig zu Besitz an den dazu gehörenden Räumen führt, nicht beendet worden (§ 856 BGB). Bei einer Wertung aller Umstände, insbesondere des dem Beklagten am 13.3.2009 vorgelegten Schreibens der S. GmbH vom 10.3.2009, fehlte es der S. GmbH erkennbar an dem für einen Erwerb des Besitzes erforderlichen Besitzbegründungswillen. Die Gesellschaft hat die Wohnung Ende 2008/Anfang 2009 unverändert belassen und sie nicht genutzt. Indem sie hierauf hingewiesen und die Erben aufgefordert hat, die Wohnung nach Bereitstellung der Schlüssel zu räumen und die in ihr befindlichen Gegenstände einschließlich des Mülls zu entfernen, hat sie den Willen, die Wohnung in dem damals vorhandenen Zustand nicht in Besitz zu nehmen, nach außen hin deutlich gemacht.
Darüber hinaus waren die Mitglieder der Erbengemeinschaft materiell-rechtlich gem. § 985 BGB verpflichtet, der S. GmbH als Eigentümerin den Besitz an der Wohnung zu verschaffen, wobei sie gem. § 1004 Abs. 1 BGB nicht in der Vorenthaltung des Besitzes bestehende Beeinträchtigungen des Eigentums zu beseitigen hatten, das heißt, die in der Wohnung befindlichen Gegenstände einschließlich des Mülls entfernen mussten. Die Gegenstände und der Müll beeinträchtigten, indem sie eine Nutzung und Vermietung der Wohnung verhinderten, das Eigentum an der Wohnung. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft, die als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers Eigentümer der in der Wohnung befindlichen Gegenstände geworden waren, waren als Zustandsstörer zu einer Beseitigung der Beeinträchtigung verpflichtet. Als Zustandsstörer sind die Mitglieder der Erbengemeinschaft anzusehen, weil die Eigentumsbeeinträchtigung zumindest mittelbar auf den Willen ihres Rechtsvorgängers zurückgeht, der die in der Wohnung befindlichen Gegenstände in diese verbracht hat.
Da die Erbengemeinschaft in jedem Fall materiell-re...