Leitsatz (amtlich)
Handlungen, deren Beschreibung nicht die Mindestanforderungen erfüllen, die nach § 83a Abs. 1 Nr. 5 IRG an die Konkretisierung des Tatvorwurfs zu stellen, rechtfertigen die Anordnung von Auslieferungshaft auch dann nicht, wenn der Verfolgte sich mit einer vereinfachten Auslieferung (hier: nach Belgien aufgrund des angeblichen Vorwurfs der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) einverstanden erklärt hat.
Tenor
Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls wird abgelehnt.
Gründe
I. Die belgischen Justizbehörden ersuchen mit einer Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) vom 28.06.2012 um die Auslieferung der Verfolgten nach Belgien zum Zwecke der Strafverfolgung. Der Ausschreibung liegt ein Europäischer Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Lüttich vom 12.06.2012 zugrunde, der dem Senat nicht vorliegt. Nach der SIS-Ausschreibung wird die Verfolgte der Unterstützung der terroristischen Vereinigung PKK verdächtigt. Der zugrundegelegte Sachverhalt wird wie folgt beschrieben:
"In Belgien geführte Ermittlungen haben ergeben, dass die Genannte seit dem 21. Dezember 2011 spätestens zugunsten/mithilfe der zuvor genannten Organisationen radikaler geworden ist. Die Genannte verließ am 19. Januar 2012 ohne jeglichen Grund ihre Schule. Seitdem ist sie nicht mehr erreichbar. Sie hat ihren Namen auf ihrem Facebook-Profil geändert und benutzt jetzt einen kurdischen Namen. Sie wurde am 15.02.2012 in Deutschland aufgegriffen, während sie für die PKK demonstrierte, nachdem sie anlässlich des Jahrestages der Festnahme des PKK-Führers ÖCALAN ABDULLAH zusammen mit anderen Teenagern eine Straße in Frankfurt blockiert hatte. Anscheinend hat sie am 21.12.2011 Kontakt zu einer in die KNK involvierten Person aufgenommen. Bei der KNK handelt es sich um eine Organisation, die Mitgliedern der PKK hilft.
Diese Person könnte ihr geholfen haben, sich abzusetzen oder ihr Verschwinden organisiert haben. Aus von zwei Freunden der A. ausgetauschten SMS-Nachrichten geht hervor, dass sie sich in Deutschland aufhalten könnte, vermutlich an Demonstrationen teilnimmt und angeblich plant, in die kurdischen Berge zu reisen, um gegen die Türken zu kämpfen."
Bei ihrer richterlichen Anhörung durch das Amtsgericht Köln am 12.07.2012 hat sich die am Vortag in Köln vorläufig festgenommene Verfolgte mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet. Zu den Vorwürfen hat sie angegeben:
"Ich bin nach Deutschland gekommen, um hier zur Schule zu gehen. Ich hatte Probleme mit meiner Familie und habe mich deshalb von ihr getrennt. Es ist nicht wahr, dass ich vor hätte in die kurdischen Berge zu gehen. Es ist richtig, dass ich an Demonstrationen teilgenommen habe. Das war eigentlich nicht nötig. Ich wollte nur von meinen Eltern weg. Ich bin Kurdin und habe deshalb an der Demonstration teilgenommen."
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, gegen die Verfolgte die Auslieferungshaft anzuordnen.
II. Dem Antrag auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls kann nicht entsprochen werden, auch nicht in Gestalt einer vorläufigen Haftanordnung nach § 16 IRG.
Nach § 15 Abs. 2 IRG kann Auslieferungshaft nicht angeordnet werden, wenn die Auslieferung von vorneherein unzulässig erscheint. Die Bestimmung gilt auch im Anwendungsbereich des Europäischen Haftbefehls, da der 8. Teil des IRG keine eigenen Regelungen für die Auslieferungshaft enthält (Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 15 Randnr. 2).
Bei verfassungskonformer Auslegung von § 15 Abs. 2 IRG kommt eine Auslieferungshaft nur in Betracht, wenn aufgrund einer Schlüssigkeitsprüfung ohne weiteres festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen für eine Auslieferung gegeben sein können. Eine solche Feststellung erlaubt der Inhalt der SIS-Ausschreibung nicht.
Von vorneherein unzulässig kann die Auslieferung auch bei fehlender Konkretisierung der Tat sein (vgl. Schomburg- Hackner, aaO., § 15 IRG Randn. 31a).
So liegt der Fall.
Die SIS-Ausschreibung der belgischen Behörden enthält die in § 83a Abs. 1 IRG bezeichneten Angaben nicht vollständig; sie gilt deswegen nicht gem. § 83a Abs. 2 IRG als Europäischer Haftbefehl.
Die Ausschreibung erfüllt nicht die Mindestanforderungen, die nach § 83a Abs. 1 Nr. 5 IRG an die Konkretisierung des Tatvorwurfs zu stellen sind, damit das ersuchte Land die Subsumtion nachvollziehen und die Überprüfung vornehmen kann, ob die Tat zu den Deliktsgruppen des Art.2 Abs. 2 RbEuHb vom 13.06.2002 gehört oder - wenn nicht - das dem Verfolgten vorgeworfene Verhalten nach deutschem Recht strafbar ist (vgl. OLG Karlsruhe StraFO 2005, 165).
Hier besteht schon kein Raum für die Prüfung, ob die Tat als Katalogtat einzuordnen ist, da eine entsprechende Bezeichnung von dem ersuchenden Staat vorzunehmen ist, die Ausschreibung hierzu jedoch keine Angaben enthält. Der bloße Hinweis auf den vorhandenen Europäischen Haftbefehl, der dem S...